Berlin, 31. Januar 2023. Seit dem 01. Februar 2018 ist das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, genannt Istanbul-Konvention, in Deutschland geltendes Recht. Die Konvention verpflichtet zu umfassenden Maßnahmen, um allen Frauen und Mädchen angemessenen Schutz und ein Leben frei von Gewalt zu ermöglichen. Im vergangenen Jahr bescheinigte eine Auswertung der europäischen Expert*innenkommission GREVIO dem deutschen Staat gravierende Mängel bei der Umsetzung des Abkommens und dem Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt.
„Die Istanbul-Konvention ist ein Meilenstein im Gewaltschutz für Frauen und Mädchen“, erklärt Christiane Völz, Vorstandsvorsitzende von Frauenhauskoordinierung. „Aber der Wert eines Gesetzes beweist sich letztlich nicht auf dem Papier, sondern in seiner Umsetzung – und die ist nach fünf Jahren immer noch alles andere als zufriedenstellend.“
So diagnostiziert der GREVIO-Bericht u.a. das Fehlen einer nationalen Gesamtstrategie gegen Gewalt an Frauen, mangelhaftes Risikomanagement gegen Femizide sowie die regelmäßige Gefährdung gewaltbetroffener Frauen und Kinder durch Sorge- und Umgangsregelungen. Nicht zuletzt stellen die Expert*innen „erhebliche Sicherheitsbedenken für Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind,“ fest. Deutschlandweit fehlen über 14.000 Frauenhausplätze. Vorhandene Plätze sind häufig nicht allen Frauen oder nur bei Kostenbeteiligung zugänglich.
Fortschritte gab es seit Inkrafttreten der Konvention vor allem im Bereich des Strafrechts. Im November 2022 hat zudem eine bundesweite Monitoring-Stelle zur Umsetzung der Konvention ihre Arbeit aufgenommen und zum 01. Februar 2023 lässt die Bundesrepublik ihre Vorbehalte gegen Artikel 44 und 59 des Abkommens auslaufen, welches damit vollumfänglich gültig wird.
„Wir freuen uns, dass die Bundesregierung diesen lang eingeforderten Schritt zum gleichwertigen Schutz aller Frauen nun gegangen ist“, so Völz. „Doch es geht noch immer nur in kleinen Einzelschritten voran. Was wir brauchen, ist ein kohärentes, strategisches Vorgehen auf Bundesebene – zum Beispiel durch einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt.“