Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren

Im Juli 2024 hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) einen Entwurf zu Änderungen des Familienverfahrensrechts mit dem Schwerpunkt des Schutzes bei Partnerschaftsgewalt vorgestellt. Frauenhauskoordinierung begrüßt diesen Entwurf ausdrücklich und weist auf Verbesserungspotentiale im Gesetzesentwurf hin.

Abbildung Zusammenfassung Stellungnahme FHK zu FAmFG

Mit Istanbul-Konvention (IK) und Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung verpflichtet, auf sämtlichen staatlichen Ebenen alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, Betroffenen Schutz und Unterstützung zu bieten und Gewalt zu verhindern. Durch den vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren, zur Stärkung des Verfahrensbeistands und zur Anpassung sonstiger Verfahrensvorschriften will das BMJ diesen Verpflichtungen nachkommen. FHK begrüßt, das mit dem Entwurf endlich dem Phänomen Partnerschaftsgewalt an einer wichtigen Schaltstelle, nämlich dem Verfahrensrecht am Familiengericht, Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Die mit der Reform des Familienverfahrensrechts 2009 eingebrachten Prinzipien, die auf Einigung, gemeinschaftliche Beratung und Mediation abzielten, sind aus der Perspektive des Gewaltschutzes seither kritisiert worden. Als besonders problematisch galten zudem die unbedingte Durchsetzung von Umgangsrechten und die Unterausstattung des Verfahrensbeistands als „Anwalt des Kindes“.

Inhalte des Gesetzesentwurfs

Als wesentliche Instrumente zum Schutz bei Partnerschaftsgewalt schlägt der Gesetzentwurf

  • die Einführung eines Beschwerderechts gegen einen Umgangsausschluss im Eilverfahren,
  • die Ermittlung und Berücksichtigung von Partnerschaftsgewalt und des Schutzbedarfs Betroffener und deren Kinder,
  • ein Wahlgerichtsstand zum Schutz einer geheimen Anschrift,
  • getrennte Anhörungen und die Ausnahme von der sonst gebotenen Einigungs- und Mediationsmaxime,
  • die Stärkung des beteiligten Verfahrensbeistands sowie
  • bessere Vernetzung der in Gewaltschutz und Kinderschutz einbezogenen Behörden

vor.

Verbesserungspotentiale

Die angedachten Maßnahmen sind generell zu begrüßen, werden jedoch noch nicht vollumfänglich der Realität und den Bedarfen bei Partnerschaftsgewalt gerecht. Zu den zentralen Nachbesserungsbedarfen aus Sicht von FHK zählen:

  • die Beschwerdemöglichkeit bei Umgangsanordnungensieht bisher nur Beschwerden gegen einenUmgangsausschluss vor, nicht jedoch gegen angeordneten Umgang, der zu einer Gefahr für die körperliche und psychische Gesundheit des betreuenden Elternteils oder des Kindes selbst führt. Diese Fälle liegen regelmäßig bei Partnerschaftsgewalt vor. Die betreuenden, von Gewalt betroffenen – im Regelfall – Mütter sind gehalten, den Umgang zu ermöglichen und haben keine sanktionsfreie Möglichkeit, den Kontakt auszusetzen. Dies steht im Widerspruch zu Art. 31 der Istanbul-Konvention.
  • Die Möglichkeit eines Wahlgerichtsstands setzt voraus, dass ein abgeschlossenes oder bestehendes Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz vorliegt. Doch nur etwa 10% der Frauen im Frauenhaus, die ja besonders auf den Schutz vor Preisgabe ihres Aufenthaltsortes angewiesen sind, stellen einen Antrag nach § 1 des Gewaltschutzgesetzes bzw. etwa 3 % nach § 2 Gewaltschutzgesetz[1]. Damit wird ein Großteil der Betroffenen ausgeschlossen und Schutzlücken bleiben bestehen.
  • Das Gericht trifft eine ausdrückliche Pflicht, Anhaltspunkte für Partnerschaftsgewalt auszumachen. Dazu muss an einer Einbindung des Hilfesystems sowie der verstärkten Aus- und Fortbildung der beteiligten Kräfte gearbeitet werden – und über eine Fortbildungspflicht nachgedacht werden.
  • Ein Verfahrensbeistand hat besonderen Befugnisse, die nun auch richterlich anordbar und durchsetzbar sein sollen, und Einblick in äußerst private – grundrechtsrelevante – Lebenszusammenhänge nicht nur des Kindes. Mit der erfreulichen Stärkung des Verfahrensbeistandes sollte die Möglichkeit einher gehen, dessen Qualifikation und Handeln zu überprüfen und ggf. zu sanktionieren. Dazu muss auch gehören, dass das beteiligte Kind den Verfahrensbeistand ablehnen kann.
  • Über ein Gewaltschutzverfahren sollen auch Polizei und (bei Beteiligung von Kindern) das Jugendamt informiert werden. Hier gilt es, den Umfang der Informationen klarer zu umreißen und die Maßnahmen in ein hinreichend ausgebildetes und ausgestattetes System einzubetten.

Trotz der angeführten Verbesserungsbedarfe bedeutet der Entwurf einen wichtigen Schritt auf dem richtigen Weg. Der bereits erwartete Gesetzentwurf zum materiellen Kindschaftsrecht sollte mit diesen Vorschlägen abgestimmt und synchronisiert werden.

 


[1] FHK Frauenhaus-Statistik, 2022: https://www.frauenhauskoordinierung.de/publikationen/frauenhaus-statistik