Berlin, 1.November 2022. Auf den Tag genau 46 Jahre, nachdem das erste Frauenhaus in Deutschland seine Türen geöffnet hat, bestätigt die bundesweite Frauenhaus-Statistik 2021 von Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK): Noch immer sind jedes Jahr tausende Frauen und Kinder in Deutschland auf den Schutz von Frauenhäusern angewiesen. Für das Jahr 2021 stellt die Statistik Daten zu 6.431 Frauen und 7.572 Kindern aus 180 von insgesamt rund 380 Frauenhäusern im Bundesgebiet bereit.
Deutlich setzen sich auch im Jahr 2021 problematische Trends der vergangenen Jahre fort: Noch immer muss jede vierte Frau die Kosten für ihren Aufenthalt im Frauenhaus teilweise oder vollständig selbst tragen. Zunehmend sind Schutzsuchende – mittlerweile 60% – auf ein Frauenhaus außerhalb der eigenen Stadt oder des eigenen Landkreises angewiesen, werden dabei jedoch häufig mit enormen bürokratischen Hürden bei der Kostenerstattung oder sogar Aufnahmeverboten konfrontiert. Und nur bei einem Bruchteil aller Bewohner*innen machte die Polizei von der Möglichkeit Gebrauch, den Täter der Wohnung zu verweisen (8%) oder in Gewahrsam zu nehmen (2%).
„Gerade erst hat das GREVIO-Komitee des Europarats Deutschland ein Zeugnis ausgestellt, das wachrütteln sollte: Die uneinheitliche und unsichere Finanzierung von Schutzeinrichtungen hierzulande bewirkt nachweislich, dass wirksamer Schutz extrem stark vom Wohnort abhängt und zahlreiche Gruppen von gewaltbetroffene Frauen überhaupt keinen Zugang zu passender Unterstützung haben“, erklärt FHK-Geschäftsführerin Heike Herold.
Für Frauen und Kinder, deren Suche nach einem Schutzplatz erfolgreich verläuft, stellen Mitarbeitende im Frauenhaus – so macht die FHK-Statistik sichtbar – zwar ein breites Portfolio an Leistungen bereit. Häufig stehen ihnen für die heterogenen Bedarfe jedoch nicht ansatzweise ausreichend Ressourcen zur Verfügung. Besonders hervorzuheben sind in diesem Kontext mangelnde Mittel für Sprachmittlung sowie für Kinderbetreuung: So lebten in den Schutzeinrichtungen auch 2021 mehr Kinder als Frauen, 41 % davon im schulfähigen Alter, d.h. mit Homeschooling-Bedarf während der Lockdowns.
„Oft sind Einrichtungen so prekär ausgestattet, dass der Umzug in ein Frauenhaus mit Gemeinschaftsräumen – und mitunter sogar der Notwendigkeit, die Schlafzimmer zu teilen – von den Frauen als sozialer Abstieg empfunden wird“, so Herold. „Der mutige Schritt aus der Gewalt sollte genau das Gegenteil bewirken – aber das ist nicht zuletzt eine Frage von Ressourcen und politischem Willen.“
FHK realisiert diese wichtige bundesweite Erhebung seit nunmehr 22 Jahren. Mit 180 Einrichtungen beteiligt sich etwa die Hälfte der deutschen Frauenhäuser. Die aktuelle Frauenhaus-Statistik kann HIER kostenfrei als Übersicht der zentralen Ergebnisse oder in der Langfassung heruntergeladen werden.