Pressemeldung zum Tag der gewaltfreien Erziehung: Bedarfe von Kindern bei häuslicher Gewalt im Hilfesystem zu wenig berücksichtigt

Frauenhauskoordinierung fordert Ausbau der Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche, die von häuslicher Gewalt betroffen sind

 

Pressemeldung Tag der gewaltfreien Erziehung

Berlin, 27.04.2022. Anlässlich des Tags der gewaltfreien Erziehung am 30. April möchte Frauenhauskoordinierung e. V. (FHK) auf die Situation der jährlich über 15.000 Kinder und Jugendlichen aufmerksam machen, die mit ihren Müttern im Frauenhaus Schutz vor Gewalt suchen. Kinder und Jugendliche, die häusliche Gewalt miterleben, sind selbst einem erhöhten Risiko für Misshandlungen ausgesetzt und leiden erheblich unter der Gewalt gegen ihre Mütter. 30-60% dieser Kinder und Jugendlichen werden auch selbst körperlich, psychisch und/oder sexuell misshandelt. Frauenhäuser verfügen über langjährige Expertise in der Arbeit mit Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen und können entscheidend dazu beitragen, generationenübergreifende Gewaltkreisläufe zu unterbrechen. Wie gut die mitbetroffenen Kinder und Jugendlichen durch Frauenhäuser und Beratungsstellen unterstützt werden können, ist regional und je nach Finanzierungsart der Einrichtungen jedoch sehr unterschiedlich.

„Frauenhäuser sind immer auch Kinderschutzhäuser. Mehr als die Hälfte der Bewohner*innen sind Kinder und Jugendliche. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Frauenhaus ist unverzichtbar, um Mütter zu entlasten, Erziehungskompetenzen zu stärken und ihnen eigenständige Angebote zur Aufarbeitung der Gewalt zu bieten“, so Juliane Kremberg, FHK-Referentin für Kinder im Frauenhaus. „Regelmäßig sind die Einrichtungen jedoch auch im Kinder- und Jugendbereich chronisch unterfinanziert und können daher die Bedarfe gar nicht decken. Das gefährdet in der Praxis grundlegende Kinderrechte wie das Recht auf gewaltfreie Erziehung.“

Ein überlastetes Hilfesystem kann betroffene Kinder und Jugendliche nicht auffangen

Zu wenig Kitaplätze, lange Wartezeiten für Therapieplätze, fehlende Rückzugsorte und mangelnde Ausstattung, kaum Präventions- und Nachsorgeangebote, unzureichende Betreuungs- und Personalschlüssel in Frauenhäusern, eine wenig kindgerechte Justiz und Polizei sowie Schwierigkeiten in der Kooperation mit Jugendämtern sind nur einige der akuten Herausforderungen, mit denen  pädagogische Fachkräfte, Kinder und deren Mütter konfrontiert sind. Frauenhäuser können Projekte für Kinder zum Teil nur spendenfinanziert, unregelmäßig und unter großem Engagement der Fachkräfte realisieren. Pandemiebedingt hat sich die ohnehin angespannte Situation im Hinblick auf Ressourcenmangel und Aufgaben weiter verschärft. Insbesondere Angebote für Kinder und Jugendliche mussten stark zurückgefahren werden.

Kinder und Jugendliche sind nicht nur von den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie massiv betroffen. Auch angesichts des Kriegs in der Ukraine stehen die Kinderrechte und das Kindeswohl besonders im Fokus. Das Hilfesystem für Kinder und Jugendliche gerät unter dem Druck der Krise an seine Grenzen.

„Dringend erforderlich sind – neben einer besseren personellen Ausstattung des Kinderbereichs der Frauenhäuser – mehr staatliche Initiativen, um in Frauenhäusern flächendeckend kindgerechte Angebote zur psychosozialen Aufarbeitung von Gewalt zu etablieren. Auf diese Weise könnten Kinder stabilisiert werden und transgenerationalen Gewaltkreisläufen entgegengewirkt werden“

stellt Gisela Pingen-Rainer, Vorstandsmitglied von Frauenhauskoordinierung, fest.

Rechte der Kinder in Fällen häuslicher Gewalt zu wenig berücksichtigt

Internationale Übereinkünfte wie die Istanbul- und die UN- Kinderrechtskonvention ordnen Kinder und Jugendliche als besonders vulnerable Gruppe ein, die zur Verarbeitung ihrer zum Teil traumatischen Erlebnisse häuslicher Gewalt dringend auf eigenständige, flächendeckende und spezifische Unterstützungsangebote angewiesen sind. Frauenhauskoordinierung nimmt sich in seinem Projekt „Zuhause auf Zeit“ der besonderen Bedarfe der Zielgruppe an und fordert eine Erhöhung der Anzahl qualifizierter Schutzplätze und Beratungsstellen für Mütter, Kinder und Jugendliche bei geschlechtsspezifischer Gewalt sowie Ressourcen für den Ausbau von Angeboten im Kinder- und Jugendbereich.