Das F.A.Q. beantwortet Fragen rund um das Thema Gewaltschutz geflüchteter Frauen und Mädchen. Am Anfang steht ein Glossar zur Klärung zentraler Begriffe und deren Konsequenzen für geflüchtete Frauen. Das Glossar wird auf den Webseiten von bff und FHK bei Bedarf ergänzt oder aktualisiert.
Anschließend beantworten wir zahlreiche häufig wiederkehrende Fragen an der Schnittstelle zwischen geschlechtsspezifischer Gewalt und Flucht, die wir nach 13 Themenbereichen
geordnet haben. Einige der Fragen sind mehrfach aufgeführt, weil sie verschiedene Themenbereiche berühren und so leichter auffindbar sind.
Es gilt jedoch zu beachten , dass sich rechtliche Regelungen in diesem Bereich oft verändern. Dieses F.A.Q. gibt den Stand von August 2020 wieder. In die aktuelle, überarbeitete Auflage sind Änderungen der letzten drei Jahre, insbesondere jene durch das „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ – auch „Hau-Ab-Gesetz“ genannt –, eingeflossen.
Unbedingt zu beachten ist zudem, dass das F.A.Q. keine Rechtsberatung ersetzt und an vielen Stellen nur allgemeine Auskünfte und eine erste Orientierung geben kann.
Folgende Fragen und Themen werden im F.A.Q. behandelt:
Grundsätzlich bestehen unterschiedliche Gründe für einen Aufenthalt in Deutschland. Zum einen gibt es den Aufenthalt aus humanitären oder politischen Gründen (Asyl, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz, Abschiebeverbot, Härtefall). Darüber hinaus gibt es Aufenthalt aus familiären Gründen (Geburt, Ehe, Familiennachzug) und schließlich den Aufenthalt zur Ausbildung, zum Studium oder zur Arbeit.
Gleichzeitig kann aber auch während des Asylverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen gearbeitet werden. Oder ein anerkannter Flüchtling bekommt ein Kind, was Auswirkungen auf den Aufenthaltstitel haben kann. Dies kann einen sogenannten „Spurwechsel“ bedeuten, also z.B. einen Wechsel aus dem humanitären in einen Aufenthalt aus familiären Gründen.
Zunächst muss geklärt werden, was die aktuelle Grundlage des Aufenthaltes ist und von welchen Voraussetzungen der Aufenthalt abhängt, um dann zu prüfen, welche Rechte und Pflichten daran geknüpft sind.
In diesem FAQ stehen die Fragen des humanitären Aufenthaltes im Mittelpunkt. Außerdem werden häufige „Spuränderungen“, so z.B. bei Aufnahme einer Ausbildung, Arbeit oder bei der Geburt eines Kindes, mitbesprochen.
Bei jedem „Asylantrag“ (Schutzantrag) wird vom Bundesamt in dem folgenden Asylverfahren in absteigender Reihenfolge geprüft, ob:
Inzwischen wird in der Regel von internationalem Schutz gesprochen. Der Begriff internationaler Schutz kommt aus dem europäischen Flüchtlingsrecht. Sowohl der Flüchtlingsschutz als auch der subsidiäre Schutz werden dort beide als internationaler Schutz bezeichnet.
Asylsuchenden ist für die Dauer des Asylverfahrens der Aufenthalt in Deutschland rechtlich gestattet. Sie erhalten nach Antragstellung zunächst für die ersten Tage einen so genannten Ankunftsnachweis und ab förmlicher Asylantragstellung für die Dauer des gesamten Verfahrens die „Aufenthaltsgestattung“ genannte Bescheinigung in Form einer grünen Klappkarte. Die Aufenthaltsgestattung ist kein Aufenthaltstitel, sondern bescheinigt nur den rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland bis zur Entscheidung über den Asylantrag. Sie gilt also auch für die Dauer eines möglichen Gerichtsverfahrens nach Ablehnung des Asylantrags durch das BAMF.
Die Aufenthaltsgestattung erlischt, wenn die Entscheidung des BAMF über den Asylantrag endgültig, d.h. unanfechtbar, geworden ist oder unabhängig von dieser Entscheidung, etwa
wenn ein Asylantrag zurückgenommen wird.
Beachte: Die Aufenthaltsgestattung wirdmoftmals für die Dauer von sechs Monaten, in einigen Bundesländern sogar für die Dauer eines Jahres ausgestellt und verlängert. Wenn aber
innerhalb dieses Zeitraums eine unanfechtbare negative Entscheidung über den Antrag ergeht, „gilt“ die Gestattung ab dieser endgültigen Entscheidung nicht mehr. Die Person ist dann
zur Ausreise verpflichtet. Wenn diese mangels Passbesitzes o.a. nicht (gleich) möglich ist, wird sie aufgefordert die Aufenthaltsgestattung abzugeben und erhält in der Regel eine Duldung.
Mit der sogenannten Wohnsitznahmeverpflichtung wird Asylsuchenden für das gesamte Asylverfahren vorgeschrieben, an welchem Ort sie ihren festen Wohnsitz haben,
also leben und registriert sein müssen. Die Wohnsitznahmeverpflichtung gilt wie die Residenzpflicht vom ersten Tag an. Auch bei einem Umzug in eine private Wohnung
oder in eine Gemeinschaftsunterkunft besteht weiter die Verpflichtung, in einem vorgeschriebenen Landkreis oder einer
kreisfreien Stadt zu wohnen.
Mit dem „Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung“ (in Kraft seit August 2019) wurde geregelt, dass asylsuchende Personen nunmehr verpflichtet
sind, ab Antragstellung bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag oder im Falle der Ablehnung ihres Asylantrags bis zu ihrer Ausreise oder ihrer Abschiebung in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Diese Pflicht darf allerdings längstens 18 Monate, bei Familien mit Kindern längstens sechs Monate, gelten.
Residenzpflicht bedeutet, dass der Bewegungsradius einer betreffenden Person auf die Stadt oder den Landkreis begrenzt ist und sie nicht ohne Erlaubnis an einen anderen Ort reisen darf. Grundsätzlich benötigt die Person dann eine Erlaubnis des Bundesamtes oder der zuständigen Ausländerbehörde, um sich außerhalb des ihr zugewiesenen Gebietes zu bewegen. Für die Wahrnehmung eines Termins bei einer Behörde oder einem Gericht, bei dem das persönliche Erscheinen erforderlich ist, bedarf es keiner vorherigen Erlaubnis zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsortes.
Die Residenzpflicht gilt für Personen im Asylverfahren ab dem Tag der Antragstellung und endet laut Gesetz nach drei Monaten (§59 a AsylG), es sei denn die Person ist auch über die drei Monate hinaus verpflichtet, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Eine Residenzpflicht kann auch später erneut angeordnet werden, etwa wenn die Person Straftaten begangen hat (mehr dazu weiter unten)
Eine Aufenthaltserlaubnis kann mit einer Bedingung oder einer Auflage versehen werden. Eine wichtige solcher Nebenbestimmungen ist die Wohnsitzauflage, mit der insbesondere Personen, die über einen humanitären Aufenthaltstitel verfügen, verpflichtet werden, in einem bestimmten Bundesland oder an einem bestimmten Ort zu wohnen.
Diese Wohnsitzauflage im eigentlichen Sinne betrifft also nicht Personen im laufenden Asylverfahren oder Menschen mit Duldung, sondern Personen, die bereits einen Aufenthaltstitel haben. Sie wird in der Regel so lange ausgesprochen, wie die betreffende Person staatliche Transferleistungen bezieht.
Einem Antrag auf länderübergreifenden Wohnortswechsel soll insbesondere zugestimmt werden, wenn an dem neuen Wohnort der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme staatlicher Leistungen gesichert ist, wenn damit das Zusammenleben mit Ehe- oder Lebenspartner*in ermöglicht wird, oder eben zum Schutz vor Gefährdungen durch Familienangehörige oder Partner*innen.
Neu hinzugekommen ist im Sommer 2016 eine entsprechende Regelung für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Diesen wird mit der Wohnsitzauflage aus §12a AufenthG vorgeschrieben, dass sie für die Dauer von drei Jahren ab Anerkennung in dem Bundesland wohnen bleiben müssen, das auch für ihr Asylverfahren zuständig war.
Selbst Flüchtlinge genießen somit nach ihrer Anerkennung nicht mehr die Freizügigkeit, innerhalb der Bundesrepublik zu leben, wo sie möchten. Das Gesetz ermöglicht darüber hinaus sogar, konkret zu bestimmen, in welcher Kommune die betreffende Person ihren Wohnsitz nehmen muss. In den Fällen der Aufnahme eines Studiums, einer Ausbildung oder einer Arbeit oder zur Vermeidung einer Härte kann eine solche Wohnsitzauflage selbstverständlich aufgehoben werden (vgl. auch hier und hier).
Die Wohnsitzauflage kann bei geschlechtsspezifischer Gewalt aufgehoben werden. Die betroffene Person hat dabei eine Mitwirkungspflicht. Sie muss im Rahmen des Aufhebungsantrags grundsätzlich ihre Umstände darlegen. Geeignete Nachweise sind etwa ärztliche Atteste oder Krankenhausberichte über physische oder psychische Verletzungen, die Aufnahmebestätigung eines Frauenhauses, Strafanzeigen, gerichtliche Schutzanordnungen sowie gerichtliche Wohnungszuweisungen nach dem Gewaltschutzgesetz oder auch nachvollziehbare Stellungnahmen von anerkannten Opfer- und Fachberatungsstellen. Hinreichend dargelegte und nachgewiesene Gewaltschutzfälle stellen immer einen Grund
zur Streichung der Wohnsitzauflage dar. In besonderen Ausnahmesituationen, in denen eine dringende Schutzbedürftigkeit offensichtlich ist, soll auch von der Vorlage eines Nachweises abgesehen werden.
Grundsätzlich bedarf jeder Aufenthalt einer Person aus einem Staat, der nicht zur Europäischen Union gehört, einer Erlaubnis. Die Person ist zur Ausreise verpflichtet, wenn die Erlaubnis zum Aufenthalt nach einer Zeit abläuft, durch eine negative Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis endet oder zum Beispiel ein Asylverfahren endgültig rechtskräftig negativ abgeschlossen wird.
Nicht immer bedeutet dies gleichermaßen, dass eine Person auch sofort das Land verlässt bzw. verlassen kann. Manchmal scheitert die Ausreise an tatsächlichen oder rechtlichen Hindernissen, so zum Beispiel, weil ein Pass zur Ausreise fehlt, weil sich die Person im Mutterschutz befindet und deshalb nicht reisen kann, weil das Herkunftsland keinen Flughafen hat oder aus anderen Gründen. In diesen Fällen wird der Person eine Duldung ausgestellt.
Eine Duldung wird erteilt bei einer „vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung“ von ausreisepflichtigen Personen ohne deutschen Pass. Das bedeutet: Die Duldung ist KEIN Aufenthaltstitel und begründet daher auch keinen rechtmäßigen Aufenthalt. Geduldete sind zum Beispiel, weil ihr Aufenthalt endet oder das Asylverfahren endgültig negativ abgeschlossen ist, weiterhin zur Ausreise verpflichtet. Diese Pflicht kann nur aus bestimmten Gründen (z.B. Krankheit, Passlosigkeit u.a.) derzeit oder auch länger nicht durchgesetzt werden.
Im Unterschied zur Abschiebung, mit der die Aufenthaltsbeendigung behördlich durchgesetzt wird, wird mit der Ausweisung allein ein etwaiges Aufenthaltsrecht entzogen und ein Wiedereinreiseverbot statuiert.
Personen ohne deutschen Pass können ausgewiesen werden, also ihr Aufenthaltsrecht verlieren, wenn sie wegen begangener Straftaten in erheblichem Umfang verurteilt wurden oder aus anderen Gründen als besonders „gefährlich“ für die Allgemeinheit angesehen werden und deshalb eine Abwägung zwischen dem staatlichen Ausweisungsinteresse und ihrem privaten Bleibeinteresse zu Lasten der Personen durchgeführt wird.
Bis 2015 galt als ein „besonders schweres“ Ausweisungsinteresse, wenn die Person zu mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Nach den Vorfällen von Köln an Silvester 2015/16 wurde ein neuer Ausweisungsgrund geschaffen: Wenn eine Verurteilung wegen Straftaten gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung oder Eigentum erfolgte oder im Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bestand, dann reichte auch eine Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Nach weiterer Gesetzesänderung reicht inzwischen für die Ausweisung auch eine Verurteilung zu einem Jahr auf Bewährung wegen einer einfachen Körperverletzung. Auch der unberechtigte Bezug von Sozialleistungen oder ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz sollen nun bereits ab einer Verurteilung zu einem Jahr für eine Ausweisung ausreichen.
In jedem Fall muss die Behörde bzw. das Gericht für den konkreten Einzelfall abwägen, ob das Interesse der Bundesrepublik daran, dass die Person das Land verlässt, stärker wirkt als deren Bleibeinteresse. Hierbei sind insbesondere die „Verwurzelung“ in Deutschland und der Aufenthaltsstatus von Bedeutung.
Auch eine Person die ausgewiesen wurde, mussnaber nicht in jedem Fall das Land verlassen bzw. wird nicht zwingend abgeschoben. Denn wenn sie z.B. als Flüchtling anerkannt wurde und feststeht, dass ihr in ihrem Herkunftsland Folter oder menschenrechtswidrige Behandlung droht, wird sie auch dann in der Regel nicht abgeschoben, wenn sie sich hier (erheblich)
strafbar gemacht hat. Es wird ihr dann jedoch auch keine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Vielmehr bleibt eine solche Person oftmals dauerhaft im Status einer Duldung.
Abschiebung ist schließlich der Vollzug der Ausreiseverpflichtung. D.h. einer Abschiebung geht in jedem Fall eine Entscheidung voraus, mit der der Aufenthalt beendet oder nicht weiter verlängert wurde. Außerdem ist die Person in den allermeisten Fällen zunächst aufzufordern, freiwillig das Land zu verlassen und damit ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Erst wenn die Person nicht freiwillig ausreist, kann die Behörde die zwangsweise Rückführung vorbereiten sowie durchführen und abschieben.
Grundlegende Informationen zu asyl- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen, zum Asylverfahren, aber auch zur Familienzusammenführung oder besonders vulnerablen Gruppen Geflüchteter finden sich auf der Webseite der GGUA Flüchtlingshilfe: www.ggua.de/aktuelles/
Folgende Zusammenstellung von Arbeitsmaterialien zu Rechten und Pflichten während des Asylverfahrens ist hilfreich für die Beratung und Unterstützung Geflüchteter:
Während des Asylverfahrens haben die Asylsuchenden besondere Pflichten. Hierzu gehört insbesondere die Pflicht, das Verfahren zu betreiben. Dies beinhaltet, nach unerlaubter Einreise unverzüglich den Asylantrag stellen, sich unverzüglich zu der zugewiesenen Aufnahmeeinrichtung zu begeben, persönlich beim BAMF vorzusprechen und an der Anhörung zu den Asylgründen teilzunehmen. Außerdem müssen die Personen während des gesamten Verfahrens für die Behörden immer erreichbar sein. Dies wird gewährleistet durch die Wohnsitzverpflichtung und die Residenzpflicht in den ersten Monaten des Verfahrens. Ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten kann im Extremfall die Einstellung des Verfahrens zur Folge haben, ohne dass jemals die Gründe für die Flucht und den Asylantrag geprüft wurden.
Außerdem haben die Personen die Pflicht, Dokumente, die sich bereits in ihrem Besitz befinden, der Behörde auszuhändigen und so an der Klärung ihrer Identität mitzuwirken. Eine Passbeschaffungspflicht besteht hingegen während des laufenden Asylverfahrens nicht. Im Gegenteil bedeutet eine Passbeantragung bei der Botschaft des Herkunftslandes in diesem Stadium des Verfahrens, dass sich die Person erneut unter den (diplomatischen) Schutz des Staates stellt, aus dem sie aus Furcht vor Verfolgung geflohen zu sein angibt. Dies kann im Widerspruch stehen zu ihren Fluchtgründen. Einzige Ausnahme ist, wenn der Pass zur Eheschließung benötigt wird, da eine solche ohne Vorlage eines Passes schlicht nicht möglich ist.
Im Status einer Duldung besteht allerdings sehr wohl die Verpflichtung einen Pass zu beschaffen, wenn ein solcher noch nicht vorliegt und diese Nichtvorlage den Grund für die Duldung bildet. Diese Personen „ungeklärter Identität“ müssen, wenn sie einen Pass nicht vorlegen können, nachweisen, dass sie alle unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbaren Handlungen vorgenommen haben, um einen Pass oder einen Passersatz zu beschaffen. Zu den als zumutbar geltenden Handlungen gehört insbesondere, bei den Botschaften des Herkunftsstaates persönlich vorzusprechen und dort die erforderlichen Angaben und Erklärungen abzugeben – mitunter auch eine Erklärung über die Freiwilligkeit der Ausreise, wenn davon die Passausstellung abhängig gemacht wird. Außerdem sind auch die vom Herkunftsstaat festgelegten Gebühren zu zahlen, soweit deren Höhe nicht unzumutbar ist.
Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, in dieser Art an der Passbeschaffung mitzuarbeiten, kann zum einen dazu führen, dass nur noch eine „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60 b AufenthG, die sogenannte „Duldung light“, erteilt wird. Diese ist mit noch weiter gehenden Einschränkungen versehen ist. Zum anderen können die ohnehin schon reduzierten Leistungen weiter gekürzt und ein Bußgeld in
Unter folgendem Link finden Sie Informationen zu Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung: www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/dublin-iii-verordnung-verordnung-eg-nr-6042013/
Für eine trennscharfe Erläuterung der Begriffe siehe Glossar.
Das Besondere für Geflüchtete und somit auch für von Gewalt betroffene geflüchtete Frauen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ist, dass die Bundesrepublik aufgrund einer Bewertung der Lage in dem jeweiligen Land grundsätzlich davon ausgeht, dass in diesen Ländern keine politische Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung stattfindet. Daraus folgt für jede aus diesen Ländern stammende Person in der Regel die Vermutung, dass sie dort nicht verfolgt wird. Ihr Asylantrag wird daher regelmäßig als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die geflüchtete Person muss nun in einem deutlich verkürzten Verfahren Tatsachen und Beweismitel vorlegen, dass ihr – abweichend von dieser Vermutung – doch Verfolgung droht. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vortrag der Verfolgung sehr konkret und detailliert erfolgen muss und sich nicht allein auf die allgemein schwierige Situation im Herkunftsland beschränken darf. Über Schutzgesuche von Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten soll in einem „beschleunigten Verfahren“ (§ 30 a AsylG) binnen Wochenfrist vom Bundesamt entschieden werden.
Die sogenannten sicheren Herkunftsländer werden in einer Liste, die Anlage des Asylgesetzes ist, aufgeführt. Die Liste wird alle zwei Jahre überprüft. Derzeit (Stand August 2020) gehören dazu: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien (Art. 16a GG, Anlage II zu § 29 AsylG).
Es gibt weitere Einschränkungen für Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, welche die Unterbringung betreffen. Unter anderem sind für sie eigene, besondere Erstaufnahmeeinrichtungen vorgesehen, in denen sie für die Dauer des Asylverfahrens und ggfls. bis zur Ausreise leben müssen. Die Betroffenen können in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, wenn sie Rechtsmittel gegen eine negative Asyl-Entscheidung einlegen, indem ihnen eine Residenzpflicht auferlegt wird. Oftmals werden sie auch mit einem Arbeitsverbot belegt und ihnen können Geldleistungen gekürzt werden. Wie schnell und strikt von diesen Sanktionsmaßnahmen Gebrauch gemacht wird, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Noch haben nicht alle Bundesländer diese gesetzlichen Vorgaben umgesetzt, so dass es in der Praxis (noch) nicht immer zur Anwendung dieser Regelungen kommt. In welchen Fällen
geschlechtsspezifische Gewalt bei geflüchteten Frauen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten als Asylgrund geltend gemacht werden kann, wird in der Frage 2.1 beantwortet.
Die Ablehnung eines Asylantrages als „offensichtlich unbegründet“ bedeutet einen erheblich eingeschränkten Rechtsschutz und weitere Einschränkungen beim Verbleib in Deutschland.
Gegen eine Entscheidung des Bundesamtes über ein Asylbegehrens als „offensichtlich unbegründet“ muss Klage innerhalb von nur einer Woche (statt wie sonst zwei Wochen) erhoben werden. Die Klageerhebung führt aber vor allem, anders als bei einer Ablehnung als „einfach unbegründet“, nicht automatisch dazu, dass für die Personen bis zum Abschluss des Klageverfahrens alles so bleibt wie bisher.
Vielmehr kann die Ausländerbehörde während des laufenden Klageverfahrens dazu auffordern, an der Beschaffung von Reisedokumenten für eine Abschiebung mitzuwirken und im Extremfall sogar ins Herkunftsland abschieben. Um dies zu vermeiden, muss zusätzlich zur Klage ebenfalls binnen Wochenfrist ein Eilrechtsschutzantrag gestellt werden. In diesem müssen bereits die Verfolgungsgeschichte und daraus resultierende Verfolgungsfurcht vollständig und ausführlich vorgetragen und begründet sowie Beweise vorgelegt werden. Dies bedeutet unmittelbar nach Erhalt der negativen Entscheidung binnen Wochenfrist einen enormen Arbeitsaufwand und damit eine schwer zu nehmende Hürde.
Ab der Stellung eines Asylantrages besteht für Asylsuchende in der ersten Zeit eine Reglementierung ihrer Freizügigkeit. So sind sie verpflichtet, an einem bestimmten Ort zu wohnen (Wohnsitznahmeverpflichtung) und auch in ihrer Bewegungsfreiheit (Residenzpflicht) beschränkt.
Residenzpflicht bedeutet, dass die betreffende Person nicht ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde die Stadt oder den Landkreis verlassen darf. Wenn die Residenzpflicht endet, kann die Person in ganz Deutschland reisen und unterwegs sein und auch bei Freund*innen übernachten. Für die Wahrnehmung eines Termins bei einer Behörde oder einem Gericht, bei dem das persönliche Erscheinen erforderlich ist, bedarf es keiner vorherigen Erlaubnis zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsortes. Die Residenzpflicht gilt für Personen im Asylverfahren ab dem Tag der Antragstellung und kann laut Gesetz nach drei Monaten enden (§59 a AsylG), es sei denn die Person ist auch über die drei Monate hinaus verpflichtet, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
Dies ist seit einer Gesetzesverschärfung die Regel geworden. Denn nunmehr besteht die Pflicht zum Wohnen in der Erstaufnahmeeinrichtung – und damit auch die Residenzpflicht – bis zur Entscheidung über den Asylantrag und bei dessen Ablehnung bis zur Ausreise, längstens jedoch 18 Monate, bei Familien mit Kindern längstens 6 Monate (siehe Genaueres unten bei Wohnsitznahmeverpflichtung).
Die bedeutet, dass auch Personen, die später als Flüchtlinge und Asylberechtigte anerkannt werden, möglicherweise 18 Monate verlieren, die sie andernfalls zur Integration hätten nutzen können.
Beendet wird die Pflicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung und damit die Residenzpflicht auch dadurch, dass die betroffene Person Bescheid erhält, in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine Wohnung umzuziehen. Dies bedeutet, dass die Bundesländer die Möglichkeit haben, die Dauer der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Zuweisung auf die Kommunen zu verkürzen.
Für eine Beschäftigung in einem anderen Landkreis, für den Schulbesuch, für eine betriebliche Aus- und Weiterbildung oder theoretisch auch für ein Studium kann die Genehmigung zum Verlassen des Ortes, für den die räumliche Beschränkung gilt, erteilt werden. Ob die Behörde die Erlaubnis erteilt, liegt in den meisten Fällen in deren Ermessen. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nur, wenn ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Erfahrungsgemäß ist es kein Problem, eine Erlaubnis für Familienangelegenheiten (Krankenbesuch, Hochzeit, Sterbefall etc.) oder wichtige Arztbesuche zu bekommen.
Wenn der Aufenthaltsbezirk ohne Erlaubnis verlassen wird, besteht darin eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet wird. Bei mehrfachen Verstößen kann es auch zu einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe kommen. Noch wichtiger ist, dass eine höhere Geld- oder Gefängnisstrafe zur Folge haben kann, dass ein späteres humanitäres Aufenthaltsrecht gefährdet ist (s. Ausweisung). Ein Strafverfahren wegen Residenzpflichtverletzung sollte deshalb ernst genommen werden.
Eine räumliche Beschränkung (Residenzpflicht) kann auch nach Ablauf eines Asylverfahrens angeordnet werden, wenn die betreffende Person im Besitz einer Duldung ist, insbesondere wenn die Person wegen einer Straftat verurteilt wurde oder konkrete Maßnahmen zur Beendigung ihres Aufenthaltes bevorstehen. Verschärfend soll eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde auch dann angeordnet werden, wenn eine Abschiebung vorher durch falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit von der Person angeblich selbst verhindert wurde oder wenn bei der Beschaffung von Passpapieren etc. nicht wie erforderlich mitgewirkt wurde.
Bei Menschen mit einer Duldung kann die Ausländerbehörde zusätzlich „Maßnahmen zur Förderung der Ausreise“ treffen, wie z.B. die Verpflichtung, sich zur Aufenthaltsüberwachung regelmäßig bei der Ausländerbehörde zu melden oder eine Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen (§ 46 AufenthG). Im Zusammenhang damit ist die Verpflichtung, sich nachts immer in der Unterkunft aufzuhalten, von Gerichten abgelehnt worden. Die Gerichte urteilten, dass eine entsprechende Anordnung einen sinnvollen Bezug zum Zweck der Vorschrift haben müsse und nicht in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausarten dürfe. Ein „nächtlicher Hausarrest“ sei aber eine Freiheitsbeschränkung für die es in dieser Form keine Rechtsgrundlage gebe.
Die Verpflichtung, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass sich die Person nachts außerhalb der Wohnung aufhalten möchte (z.B. durch einen Zettel an der Zimmertür), wurde demgegenüber allerdings für rechtmäßig gehalten.
Bei Verstoß gegen Mitwirkungspflichten, die den asylsuchenden Personen auferlegt wurden, kann selbst diese Dauer von 18 Monaten nochmals verlängert werden. Zusätzlich können die Länder regeln, dass die 18-Monatsfrist in bestimmten Fällen auf 24 Monate verlängert wird. Hiervon haben zum Beispiel Bayern und Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht.
Mit Antragstellung werden Asylsuchende einer Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen. Sie sind dann für die Dauer von längstens 18 Monaten, Familien mit minderjährigen Kindern bis zu 6 Monate, verpflichtet dort zu wohnen. Beendet wird die Pflicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung aber sofort, wenn die betroffene Person einen positiven Bescheid in ihrem Asylverfahren erhält.
Sie wird auch dadurch verkürzt, dass der Person gestattet wird, in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine Wohnung umzuziehen. Dies bedeutet, dass die Bundesländer die Möglichkeit haben, die Dauer der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Zuweisung auf die Kommunen zu verkürzen.
Besondere Regeln gelten einmal mehr auch für Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Bei den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten handelt es sich um Länder, von denen der Gesetzgeber annimmt, dass dort aufgrund eines demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage eine politische Verfolgung generell nicht zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich auch vor Verfolgung durch andere Personen auf seinem Staatsgebiet schützen kann. Die sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ werden in einer Liste, die Anlage des Asylgesetzes ist, aufgeführt. Die Liste wird alle zwei Jahre überprüft. Derzeit (Stand August 2020) gehören dazu: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien (Art. 16a GG, Anlage II zu § 29 AsylG).
Mit Ausnahme der EU-Bürger*innen unter ihnen sind diese Personen verpflichtet, für die Dauer ihres Asylverfahrens in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Wird ihr Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ oder „unzulässig“ abgelehnt, gilt dies sogar bis zu ihrer Ausreise. Während dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten und das in ihrer Aufenthaltsgestattung genannte Gebiet nur dann vorübergehend verlassen, wenn sie eine Erlaubnis vom Bundesamt erhalten.
Informationen des Flüchtlingsrat Niedersachsen zur Wohnsitzauflage: www.nds-fluerat.org/leitfaden/24-status-bei-aufnahme-aus-dem-ausland/wohnen-umziehen-reisen/
Zur leichteren Organisation und Durchsetzung der Wohnsitzverpflichtung und der damit zusammenhängenden Kontrolle der Bewohner*innen wurden in einigen Bundesländern so genannte Ankerzentren geschaffen.
AnkER steht für „Ankunft, Entscheidung, Rückführung“. Die im August 2018 geschaffenen Zentren sind Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen Geflüchtete im Gegensatz zu anderen Erstaufnahmeunterkünften bis zum Ende ihres Asylverfahrens verbleiben. Zudem sollen Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, direkt aus den Ankerzentren abgeschoben werden.
Erklärtes Ziel der Ankerzentren ist es, die Asylverfahren „effizienter“ zu machen. Dafür sollen in den Einrichtungen alle Behörden vertreten sein, die am Asylverfahren beteiligt sind, wie das BAMF, die Bundesagentur für Arbeit, die Ausländerbehörde, das Sozialamt und Verwaltungsgerichte. Tatsächlich gibt es aktuell in Deutschland acht Ankerzentren: sechs in Bayern sowie jeweils eins im Saarland und in Sachsen. Ein Ankerzentrum in Bayern wurde Ende 2019 wieder geschlossen.
Oftmals geschieht die Anhörung dort Innerhalb einer Woche, nach einem Monat kann der Bescheid kommen. Personen, die gegen einen negativen Bescheid klagen, bleiben jedoch oft zwei bis drei Jahre im Ankerzentrum – obwohl der aktuelle Koalitionsvertrag eine Maximaldauer von 18 Monaten beziehungsweise 6 Monaten für Familien vorsieht.
Geflüchtete sind in den Ankerzentren mit zahlreichen Problemen konfrontiert. In manchen Einrichtungen können die Bewohner*innen etwa ihre Zimmer nicht abschließen und haben kaum Rückzugsmöglichkeiten. In einigen Fällen müssen sich mehrere Familien einen Raum teilen. Polizeieinheiten, die auch bei Fußballspielen und Demonstrationen eingesetzt werden, gehen ein und aus, um Lebensmittel, Wasserkocher oder Deosprays zu konfiszieren.
Die Asylverfahrensberatung in den Ankerzentren wird vom BAMF durchgeführt – zunächst in Gruppengesprächen und bei Bedarf in Einzelgesprächen. Oft wird jedoch nur die Gruppenberatung durchgeführt, in der allgemein über das Asylverfahren informiert, aber nicht auf die individuelle Situation der Geflüchteten eingegangen wird. Gelegentlich darf – abgesehen von den Mitarbeitenden der Behörden oder der Wohlfahrtsverbände – niemand in das Ankerzentrum hinein. Außerhalb liegende Beratungsangebote müssen von den asylsuchenden Personen erst einmal gefunden werden. Viele Betroffene fürchten zudem, dass sich der Kontakt zu unabhängigen Hilfsorganisationen negativ auf ihr Asylverfahren auswirkt. So wird der Zugang zu Rechtsberatung erheblich erschwert, was insbesondere für Personen mit „schlechter Bleibeperspektive“ oft einen negativen Verfahrensabschluss in sehr kurzer Zeit bedeutet.
Ärzt*innen und Psychiater*innen kritisieren belastende Faktoren wie den unzureichenden Schutz vor Übergriffen, fehlende Privatsphäre und nächtliche Ruhestörung. Es gebe in den Ankereinrichtungen kein systematisches Vorgehen, um besonders schutzbedürftige Bewohner*innen zu identifizieren. Selbst wenn besondere Bedarfe festgestellt worden seien, gebe es kein Prozedere und kein ausreichendes Personal, um den Menschen die notwendige Unterstützung zu ermöglichen. Die Organisation Ärzte der Welt hat sich deshalb aus Protest im Oktober 2019 aus dem sogenannten Ankerzentrum Manching/Ingolstadt zurückgezogen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dem Bundesinnenministerium unterstellt. Das BAMF ist zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens, das heißt für die formale und inhaltliche Prüfung des Asylantrags. Das BAMF hat in jedem Bundesland mindestens eine, oft mehrere Außenstellen.
Die Antragsstellung erfolgt persönlich. Beim BAMF bzw. in einer der Außenstellen erfolgt auch die persönliche Anhörung im Asylverfahren. Beim BAMF werden persönliche Daten und Fingerabdrücke der Asylsuchenden aufgenommen und gespeichert. Die Daten werden in die europäische Datenbank EURODAC eingespeist und zunächst wird abgeglichen, ob nach der Dublin III-Verordnung ein anderes europäisches Land für das Asylverfahren zuständig ist. Falls nicht, ist Deutschland und somit das BAMF für das Asylverfahren zuständig. Außerdem gibt es in jedem Bundesland mehrere Erstaufnahmeeinrichtungen (EAEs). EAEs sind oft an BAMF-Außenstellen angedockt.
Ausländerbehörden sind Landesbehörden oder kommunale Behörden. Die Ausländerbehörden sind zuständig für die Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Regelungen (gemäß Aufenthaltsgesetz). Dazu zählt der Vollzug von Entscheidungen im Asylverfahren, das heißt Gestattung von Umzügen, Erteilung von Arbeitserlaubnissen, Regelungen des Aufenthalts nach positiven Entscheidungen, aber auch die Umsetzung von Ausweisungen und Abschiebungen. Im Anschluss an ein positiv entschiedenes Asylverfahren sind die Ausländerbehörden an die Entscheidung des BAMF gebunden. D.h. sie erteilen Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnisse für anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte laut den gesetzlichen Vorgaben. Bei allen anderen Migrant*innen also z.B. ausländischen Studierenden, Hochschulabsolvent*innen, Arbeitenden, Familienangehörigen etc. sind die Ausländerbehörden die Entscheidungsträger.
Die Ausländerbehörden stellen für den Zeitraum des Asylverfahrens auch die Aufenthaltsgestattungen sowie während des Dublinverfahrens oder nach endgültigem negativem Ausgang des Asylverfahrens die Duldungen aus.
Grundlegende Informationen zu asyl- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen, zum Asylverfahren, aber auch zur
Familienzusammenführung oder besonders vulnerablen Gruppen Geflüchteter finden sich auf der Webseite der GGUA Flüchtlingshilfe: www.ggua.de/aktuelles/
Folgende Zusammenstellung von Arbeitsmaterialien zu Rechten und Pflichten während des Asylverfahrens ist hilfreich für die
Beratung und Unterstützung Geflüchteter:
Während des Asylverfahrens haben die Asylsuchenden besondere Pflichten. Hierzu gehört insbesondere die Pflicht, das Verfahren zu betreiben. Dies beinhaltet, nach unerlaubter Einreise unverzüglich den Asylantrag stellen, sich unverzüglich zu der zugewiesenen Aufnahmeeinrichtung zu begeben, persönlich beim BAMF vorzusprechen und an der Anhörung zu den Asylgründen teilzunehmen. Außerdem müssen die Personen während des gesamten Verfahrens für die Behörden immer erreichbar sein. Dies wird gewährleistet durch die Wohnsitzverpflichtung und die Residenzpflicht in den ersten Monaten des Verfahrens. Ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten kann im Extremfall die Einstellung des Verfahrens zur Folge haben, ohne dass jemals die Gründe für die Flucht und den Asylantrag geprüft wurden.
Außerdem haben die Personen die Pflicht, Dokumente, die sich bereits in ihrem Besitz befinden, der Behörde auszuhändigen und so an der Klärung ihrer Identität mitzuwirken. Eine Passbeschaffungspflicht besteht hingegen während des laufenden Asylverfahrens nicht. Im Gegenteil bedeutet eine Passbeantragung bei der Botschaft des Herkunftslandes in diesem Stadium des Verfahrens, dass sich die Person erneut unter den (diplomatischen) Schutz des Staates stellt, aus dem sie aus Furcht vor Verfolgung geflohen zu sein angibt. Dies kann im Widerspruch stehen zu ihren Fluchtgründen. Einzige Ausnahme ist, wenn der Pass zur Eheschließung benötigt wird, da eine solche ohne Vorlage eines Passes schlicht nicht möglich ist.
Im Status einer Duldung besteht allerdings sehr wohl die Verpflichtung einen Pass zu beschaffen, wenn ein solcher noch nicht vorliegt und diese Nichtvorlage den Grund für die Duldung bildet. Diese Personen „ungeklärter Identität“ müssen, wenn sie einen Pass nicht vorlegen können, nachweisen, dass sie alle unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbaren Handlungen vorgenommen haben, um einen Pass oder einen Passersatz zu beschaffen. Zu den als zumutbar geltenden Handlungen gehört insbesondere, bei den Botschaften des Herkunftsstaates persönlich vorzusprechen und dort die erforderlichen Angaben und Erklärungen abzugeben – mitunter auch eine Erklärung über die Freiwilligkeit der Ausreise, wenn davon die Passausstellung abhängig gemacht wird. Außerdem sind auch die vom Herkunftsstaat festgelegten Gebühren zu zahlen, soweit deren Höhe nicht unzumutbar ist.
Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, in dieser Art an der Passbeschaffung mitzuarbeiten, kann zum einen dazu führen, dass nur noch eine „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60 b AufenthG, die sogenannte „Duldung light“, erteilt wird. Diese ist mit noch weiter gehenden Einschränkungen versehen ist. Zum anderen können die ohnehin schon reduzierten Leistungen weiter gekürzt und ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 € verhängt werden.
Unter folgendem Link finden Sie Informationen zu Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung: www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/dublin-iii-verordnung-verordnung-eg-nr-6042013/
Für eine trennscharfe Erläuterung der Begriffe siehe Glossar.
Das Besondere für Geflüchtete und somit auch für von Gewalt betroffene geflüchtete Frauen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ist, dass die Bundesrepublik aufgrund einer Bewertung der Lage in dem jeweiligen Land grundsätzlich davon ausgeht, dass in diesen Ländern keine politische Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung stattfindet. Daraus folgt für jede aus diesen Ländern stammende Person in der Regel die Vermutung, dass sie dort nicht verfolgt wird. Ihr Asylantrag wird daher regelmäßigmals „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die geflüchtete Person muss nun in einem deutlich verkürzten Verfahren Tatsachen und Beweismitel vorlegen, dass ihr – abweichend von dieser Vermutung – doch Verfolgung droht. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vortrag der Verfolgung sehr konkret und detailliert erfolgen muss und sich nicht allein auf die allgemein schwierige Situation im Herkunftsland beschränken darf. Über Schutzgesuche von Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten soll in einem „beschleunigten Verfahren“ (§ 30 a AsylG) binnen Wochenfrist vom Bundesamt entschieden werden.
Die sogenannten sicheren Herkunftsländer werden in einer Liste, die Anlage des Asylgesetzes ist, aufgeführt. Die Liste wird alle zwei Jahre überprüft. Derzeit (Stand August 2020) gehören dazu: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien (Art. 16a GG, Anlage II zu § 29 AsylG).
Es gibt weitere Einschränkungen für Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, welche die Unterbringung betreffen. Unter anderem sind für sie eigene, besondere Erstaufnahmeeinrichtungen vorgesehen, in denen sie für die Dauer des Asylverfahrens und ggfls. bis zur Ausreise leben müssen. Die Betroffenen können in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, wenn sie Rechtsmittel gegen eine negative Asyl-Entscheidung einlegen, indem ihnen eine Residenzpflicht auferlegt wird. Oftmals werden sie auch mit einem Arbeitsverbot belegt und ihnen können Geldleistungen gekürzt werden. Wie schnell und strikt von diesen Sanktionsmaßnahmen Gebrauch gemacht wird, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Noch haben nicht alle Bundesländer diese gesetzlichen Vorgaben umgesetzt, so dass es in der Praxis (noch) nicht immer zur Anwendung dieser Regelungen kommt. In welchen Fällen geschlechtsspezifische Gewalt bei
geflüchteten Frauen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten als Asylgrund geltend gemacht werden kann, wird in der Frage 2.1 beantwortet.
Die Ablehnung eines Asylantrages als „offensichtlich unbegründet“ bedeutet einen erheblich eingeschränkten Rechtsschutz und weitere Einschränkungen beim Verbleib in Deutschland.
Gegen eine Entscheidung des Bundesamtes über ein Asylbegehrens als „offensichtlich unbegründet“ muss Klage innerhalb von nur einer Woche (statt wie sonst zwei Wochen) erhoben werden. Die Klageerhebung führt aber vor allem, anders als bei einer Ablehnung als „einfach unbegründet“, nicht automatisch dazu, dass für die Personen bis zum Abschluss des Klageverfahrens alles so bleibt wie bisher.
Vielmehr kann die Ausländerbehörde während des laufenden Klageverfahrens dazu auffordern, an der Beschaffung von Reisedokumenten für eine Abschiebung mitzuwirken und im Extremfall sogar ins Herkunftsland abschieben. Um dies zu vermeiden, muss zusätzlich zur Klage ebenfalls binnen Wochenfrist ein Eilrechtsschutzantrag gestellt werden. In diesem müssen bereits die Verfolgungsgeschichte und daraus resultierende Verfolgungsfurcht vollständig und ausführlich vorgetragen und begründet sowie Beweise vorgelegt werden. Dies bedeutet unmittelbar nach Erhalt der negativen Entscheidung binnen Wochenfrist einen enormen Arbeitsaufwand und damit eine schwer zu nehmende Hürde.
Ab der Stellung eines Asylantrages besteht für Asylsuchende in der ersten Zeit eine Reglementierung ihrer Freizügigkeit. So sind sie verpflichtet, an einem bestimmten Ort zu wohnen (Wohnsitznahmeverpflichtung) und auch in ihrer Bewegungsfreiheit
(Residenzpflicht) beschränkt.
Residenzpflicht bedeutet, dass die betreffende Person nicht ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde die Stadt oder den Landkreis verlassen darf. Wenn die Residenzpflicht endet, kann die Person in ganz Deutschland reisen und unterwegs sein und auch bei Freund*innen übernachten. Für die Wahrnehmung eines Termins bei einer Behörde oder einem Gericht, bei dem das persönliche Erscheinen erforderlich ist, bedarf es keiner vorherigen Erlaubnis zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsortes. Die Residenzpflicht gilt für Personen im Asylverfahren ab dem Tag der Antragstellung und kann laut Gesetz nach drei Monaten enden (§59 a AsylG), es sei denn die Person ist auch über die drei Monate hinaus verpflichtet, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
Dies ist seit einer Gesetzesverschärfung die Regel geworden. Denn nunmehr besteht die Pflicht zum Wohnen in der Erstaufnahmeeinrichtung – und damit auch die Residenzpflicht – bis zur Entscheidung über den Asylantrag und bei dessen Ablehnung bis zur Ausreise, längstens jedoch 18 Monate, bei Familien mit Kindern längstens 6 Monate (siehe Genaueres unten bei Wohnsitznahmeverpflichtung).
Die bedeutet, dass auch Personen, die später als Flüchtlinge und Asylberechtigte anerkannt werden, möglicherweise 18 Monate verlieren, die sie andernfalls zur Integration hätten nutzen können.
Beendet wird die Pflicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung und damit die Residenzpflicht auch dadurch, dass die betroffene Person Bescheid erhält, in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine Wohnung umzuziehen. Dies bedeutet, dass die Bundesländer die Möglichkeit haben, die Dauer der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Zuweisung auf die Kommunen zu verkürzen.
Für eine Beschäftigung in einem anderen Landkreis, für den Schulbesuch, für eine betriebliche Aus- und Weiterbildung oder theoretisch auch für ein Studium kann die Genehmigung zum Verlassen des Ortes, für den die räumliche Beschränkung gilt, erteilt werden. Ob die Behörde die Erlaubnis erteilt, liegt in den meisten Fällen in deren Ermessen. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nur, wenn ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Erfahrungsgemäß ist es kein Problem, eine Erlaubnis für Familienangelegenheiten (Krankenbesuch, Hochzeit, Sterbefall etc.) oder wichtige Arztbesuche zu bekommen.
Wenn der Aufenthaltsbezirk ohne Erlaubnis verlassen wird, besteht darin eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet wird. Bei mehrfachen Verstößen kann es auch zu einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe kommen. Noch wichtiger ist, dass eine höhere Geld- oder Gefängnisstrafe zur Folge haben kann, dass ein späteres humanitäres Aufenthaltsrecht gefährdet ist (s. Ausweisung). Ein Strafverfahren wegen Residenzpflichtverletzung sollte deshalb ernst genommen werden.
Eine räumliche Beschränkung (Residenzpflicht) kann auch nach Ablauf eines Asylverfahrens angeordnet werden, wenn die betreffende Person im Besitz einer Duldung ist, insbesondere wenn die Person wegen einer Straftat verurteilt wurde oder konkrete Maßnahmen zur Beendigung ihres Aufenthaltes bevorstehen. Verschärfend soll eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde auch dann angeordnet werden, wenn eine Abschiebung vorher durch falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit von der Person angeblich selbst verhindert wurde oder wenn bei der Beschaffung von Passpapieren etc. nicht wie erforderlich mitgewirkt wurde.
Bei Menschen mit einer Duldung kann die Ausländerbehörde zusätzlich „Maßnahmen zur Förderung der Ausreise“ treffen, wie z.B. die Verpflichtung, sich zur Aufenthaltsüberwachung regelmäßig bei der Ausländerbehörde zu melden oder eine Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen (§ 46 AufenthG). Im Zusammenhang damit ist die Verpflichtung, sich nachts immer in der Unterkunft aufzuhalten, von Gerichten abgelehnt worden. Die Gerichte urteilten, dass eine entsprechende Anordnung einen sinnvollen Bezug zum Zweck der Vorschrift haben müsse und nicht in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausarten dürfe. Ein „nächtlicher Hausarrest“ sei aber eine Freiheitsbeschränkung für die es in dieser Form keine Rechtsgrundlage gebe.
Die Verpflichtung, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass sich die Person nachts außerhalb der Wohnung aufhalten möchte (z.B. durch einen Zettel an der Zimmertür), wurde demgegenüber allerdings für rechtmäßig gehalten.
Bei Verstoß gegen Mitwirkungspflichten, die den asylsuchenden Personen auferlegt wurden, kann selbst diese Dauer von 18 Monaten nochmals verlängert werden. Zusätzlich können die Länder regeln, dass die 18-Monatsfrist in bestimmten Fällen auf 24 Monate verlängert wird. Hiervon haben zum Beispiel Bayern und Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht.
Mit Antragstellung werden Asylsuchende einer Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen. Sie sind dann für die Dauer von längstens 18 Monaten, Familien mit minderjährigen Kindern bis zu 6 Monate, verpflichtet dort zu wohnen. Beendet wird die Pflicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung aber sofort, wenn die betroffene Person einen positiven Bescheid in ihrem Asylverfahren erhält.
Sie wird auch dadurch verkürzt, dass der Person gestattet wird, in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine Wohnung umzuziehen. Dies bedeutet, dass die Bundesländer die Möglichkeit haben, die Dauer der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Zuweisung auf die Kommunen zu verkürzen.
Besondere Regeln gelten einmal mehr auch für Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Bei den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten handelt es sich um Länder, von denen der Gesetzgeber annimmt, dass dort aufgrund eines demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage eine politische Verfolgung generell nicht zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich auch vor Verfolgung durch andere Personen auf seinem Staatsgebiet schützen kann. Die sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ werden in einer Liste, die Anlage des Asylgesetzes ist, aufgeführt. Die Liste wird alle zwei Jahre überprüft. Derzeit (Stand August 2020) gehören dazu: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien (Art. 16a GG, Anlage II zu § 29
AsylG).
Mit Ausnahme der EU-Bürger*innen unter ihnen sind diese Personen verpflichtet, für die Dauer ihres Asylverfahrens in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Wird ihr Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ oder „unzulässig“ abgelehnt, gilt dies sogar bis zu ihrer Ausreise. Während dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten und das in ihrer Aufenthaltsgestattung genannte Gebiet nur dann vorübergehend verlassen, wenn sie eine Erlaubnis vom Bundesamt erhalten.
Informationen des Flüchtlingsrat Niedersachsen zur Wohnsitzauflage:
www.nds-fluerat.org/leitfaden/24-status-bei-aufnahme-aus-dem-ausland/wohnen-umziehen-reisen/
Zur leichteren Organisation und Durchsetzung der Wohnsitzverpflichtung und der damit zusammenhängenden Kontrolle der Bewohner*innen wurden in einigen Bundesländern so genannte Ankerzentren geschaffen.
AnkER steht für „Ankunft, Entscheidung, Rückführung“. Die im August 2018 geschaffenen Zentren sind Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen Geflüchtete im Gegensatz zu anderen Erstaufnahmeunterkünften bis zum Ende ihres Asylverfahrens verbleiben. Zudem sollen Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, direkt aus den Ankerzentren abgeschoben werden.
Erklärtes Ziel der Ankerzentren ist es, die Asylverfahren „effizienter“ zu machen. Dafür sollen in den Einrichtungen alle Behörden vertreten sein, die am Asylverfahren beteiligt sind, wie das BAMF, die Bundesagentur für Arbeit, die Ausländerbehörde, das Sozialamt und Verwaltungsgerichte. Tatsächlich gibt es aktuell in Deutschland acht Ankerzentren: sechs in Bayern sowie jeweils eins im Saarland und in Sachsen. Ein Ankerzentrum in Bayern wurde Ende 2019 wieder geschlossen.
Oftmals geschieht die Anhörung dort Innerhalb einer Woche, nach einem Monat kann der Bescheid kommen. Personen, die gegen einen negativen Bescheid klagen, bleiben jedoch oft zwei bis drei Jahre im Ankerzentrum – obwohl der aktuelle Koalitionsvertrag eine Maximaldauer von 18 Monaten beziehungsweise 6 Monaten für Familien vorsieht.
Geflüchtete sind in den Ankerzentren mit zahlreichen Problemen konfrontiert. In manchen Einrichtungen können die Bewohner*innen etwa ihre Zimmer nicht abschließen und haben kaum Rückzugsmöglichkeiten. In einigen Fällen müssen sich mehrere Familien einen Raum teilen. Polizeieinheiten, die auch bei Fußballspielen und Demonstrationen eingesetzt werden, gehen ein und aus, um Lebensmittel, Wasserkocher oder Deosprays zu konfiszieren.
Die Asylverfahrensberatung in den Ankerzentren wird vom BAMF durchgeführt – zunächst in Gruppengesprächen und bei Bedarf in Einzelgesprächen. Oft wird jedoch nur die Gruppenberatung durchgeführt, in der allgemein über das Asylverfahren informiert, aber nicht auf die individuelle Situation der Geflüchteten eingegangen wird. Gelegentlich darf – abgesehen von den Mitarbeitenden der Behörden oder der Wohlfahrtsverbände – niemand in das Ankerzentrum hinein. Außerhalb liegende Beratungsangebote müssen von den asylsuchenden Personen erst einmal gefunden werden. Viele Betroffene fürchten zudem, dass sich der Kontakt zu unabhängigen Hilfsorganisationen negativ auf ihr Asylverfahren auswirkt. So wird der Zugang zu Rechtsberatung erheblich erschwert, was insbesondere für Personen mit „schlechter Bleibeperspektive“ oft einen negativen Verfahrensabschluss in sehr kurzer Zeit bedeutet.
Ärzt*innen und Psychiater*innen kritisieren belastende Faktoren wie den unzureichenden Schutz vor Übergriffen, fehlende Privatsphäre und nächtliche Ruhestörung. Es gebe in denmAnkereinrichtungen kein systematisches Vorgehen, um besonders schutzbedürftige Bewohner*innen zu identifizieren. Selbst wenn besondere Bedarfe festgestellt worden seien, gebe es kein Prozedere und kein ausreichendes Personal, um den Menschen die notwendige Unterstützung zu ermöglichen. Die Organisation Ärzte der Welt hat sich deshalb aus Protest im Oktober 2019 aus dem sogenannten Ankerzentrum Manching/
Ingolstadt zurückgezogen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dem Bundesinnenministerium unterstellt. Das BAMF ist zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens, das heißt für die formale und inhaltliche Prüfung des Asylantrags. Das BAMF hat in jedem Bundesland mindestens eine, oft mehrere Außenstellen.
Die Antragsstellung erfolgt persönlich. Beim BAMF bzw. in einer der Außenstellen erfolgt auch die persönliche Anhörung im Asylverfahren. Beim BAMF werden persönliche Daten und Fingerabdrücke der Asylsuchenden aufgenommen und gespeichert. Die Daten werden in die europäische Datenbank EURODAC eingespeist und zunächst wird abgeglichen, ob nach der Dublin III-Verordnung ein anderes europäisches Land für das Asylverfahren zuständig ist. Falls nicht, ist Deutschland und somit das BAMF für das Asylverfahren zuständig. Außerdem gibt es in jedem Bundesland mehrere Erstaufnahmeeinrichtungen (EAEs). EAEs sind oft an BAMF-Außenstellen angedockt.
Ausländerbehörden sind Landesbehörden oder kommunale Behörden. Die Ausländerbehörden sind zuständig für die Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Regelungen (gemäß Aufenthaltsgesetz). Dazu zählt der Vollzug von Entscheidungen im Asylverfahren, das heißt Gestattung von Umzügen, Erteilung von Arbeitserlaubnissen, Regelungen des Aufenthalts nach positiven Entscheidungen, aber auch die Umsetzung von Ausweisungen und Abschiebungen. Im Anschluss an ein positiv entschiedenes Asylverfahren sind die Ausländerbehörden an die Entscheidung des BAMF gebunden. D.h. sie erteilen
Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnisse für anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte laut den gesetzlichen Vorgaben. Bei allen anderen Migrant*innen also z.B. ausländischen Studierenden, Hochschulabsolvent*innen, Arbeitenden, Familienangehörigen etc. sind die Ausländerbehörden die Entscheidungsträger.
Die Ausländerbehörden stellen für den Zeitraum des Asylverfahrens auch die Aufenthaltsgestattungen sowie während
des Dublinverfahrens oder nach endgültigem negativem Ausgang des Asylverfahrens die Duldungen aus.
Grundlegende Informationen zu asyl- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen, zum Asylverfahren, aber auch zur Familienzusammenführung oder besonders vulnerabler Gruppen Geflüchteter, finden sich auf der Webseite der GGUA Flüchtlingshilfe: http://www.ggua.de/aktuelles/
Folgende Zusammenstellung von Arbeitsmaterialien zu Rechten und Pflichten während des Asylverfahrens ist hilfreich für die Beratung und Unterstützung geflüchteter Frauen:
Mitwirkungspflichten, insb. Passbeschaffung
Während des Asylverfahrens haben die Asylsuchenden besondere Pflichten. Hierzu gehört insbesondere die Pflicht, das Verfahren zu betreiben. Dies beinhaltet, nach unerlaubter Einreise unverzüglich den Asylantrag stellen, sich unverzüglich zu der zugewiesenen Aufnahmeeinrichtung zu begeben, persönlich beim BAMF vorzusprechen und an der Anhörung zu den Asylgründen teilzunehmen. Außerdem müssen die Personen während des gesamten Verfahrens für die Behörden immer erreichbar sein. Dies wird gewährleistet durch die Wohnsitzverpflichtung und die Residenzpflicht in den ersten Monaten des Verfahrens. Ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten kann im Extremfall die Einstellung des Verfahrens zur Folge haben, ohne dass jemals die Gründe für die Flucht und den Asylantrag geprüft wurden.
Außerdem haben die Personen die Pflicht, Dokumente, die sich bereits in ihrem Besitz befinden, der Behörde auszuhändigen und so an der Klärung ihrer Identität mitzuwirken. Eine Passbeschaffungspflicht besteht hingegen während des laufenden Asylverfahrens nicht. Im Gegenteil bedeutet eine Passbeantragung bei der Botschaft des Herkunftslandes in diesem
Stadium des Verfahrens, dass sich die Person erneut unter den (diplomatischen) Schutz des Staates stellt, aus dem sie aus Furcht vor Verfolgung geflohen zu sein angibt. Dies kann im Widerspruch stehen zu ihren Fluchtgründen. Einzige Ausnahme ist, wenn der Pass zur Eheschließung benötigt wird, da eine solche ohne Vorlage eines Passes schlicht nicht möglich ist.
Im Status einer Duldung besteht allerdings sehr wohl die Verpflichtung einen Pass zu beschaffen, wenn ein solcher noch nicht vorliegt und diese Nichtvorlage den Grund für die Duldung bildet. Diese Personen „ungeklärter Identität“ müssen, wenn sie einen Pass nicht vorlegen können, nachweisen, dass sie alle unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbaren Handlungen vorgenommen haben, um einen Pass oder einen Passersatz zu beschaffen. Zu den als zumutbar geltenden Handlungen gehört insbesondere, bei den Botschaften des Herkunftsstaates persönlich vorzusprechen und dort die erforderlichen Angaben und Erklärungen abzugeben – mitunter auch eine Erklärung über die Freiwilligkeit der Ausreise, wenn davon die Passausstellung abhängig gemacht wird. Außerdem sind auch die vom Herkunftsstaat festgelegten Gebühren zu zahlen, soweit deren Höhe nicht unzumutbar ist.
Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, in dieser Art an der Passbeschaffung mitzuarbeiten, kann zum einen dazu führen, dass nur noch eine „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60 b AufenthG, die sogenannte „Duldung light“, erteilt wird. Diese ist mit noch weiter gehenden Einschränkungen versehen ist. Zum anderen können die ohnehin schon reduzierten Leistungen weiter gekürzt und ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 € verhängt werden.
Unter folgendem Link finden Sie Informationen zu Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung:
https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/dublin-iii-verordnung-verordnung-eg-nr-6042013/
Für eine trennscharfe Erläuterung der Begriffe siehe Glossar.
Das Besondere für Geflüchtete und somit auch für von Gewalt betroffene geflüchtete Frauen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ist, dass die Bundesrepublik aufgrund einer Bewertung der Lage in dem jeweiligen Land grundsätzlich davon ausgeht, dass in diesen Ländern keine politische Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung
stattfindet. Daraus folgt für jede aus diesen Ländern stammende Person in der Regel die Vermutung, dass sie dort nicht verfolgt wird. Ihr Asylantrag wird daher regelmäßig als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die geflüchtete Person muss nun in einem deutlich verkürzten Verfahren Tatsachen und Beweismitel vorlegen, dass ihr – abweichend von dieser Vermutung – doch Verfolgung droht. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vortrag der Verfolgung sehr konkret und detailliert erfolgen muss und sich nicht allein auf die allgemein schwierige Situation im Herkunftsland beschränken darf. Über Schutzgesuche von Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten soll in einem „beschleunigten Verfahren“ (§ 30 a AsylG) binnen Wochenfrist vom Bundesamt entschieden werden.
Die sogenannten sicheren Herkunftsländer werden in einer Liste, die Anlage des Asylgesetzes ist, aufgeführt. Die Liste wird alle zwei Jahre überprüft. Derzeit (Stand August 2020) gehören dazu: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien (Art. 16a GG, Anlage II zu § 29 AsylG).
Weitere Einschränkungen für Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten:
Es gibt weitere Einschränkungen für Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, welche die Unterbringung betreffen. Unter anderem sind für sie eigene, besondere Erstaufnahmeeinrichtungen vorgesehen, in denen sie für die Dauer des Asylverfahrens und ggfls. bis zur Ausreise leben müssen. Die Betroffenen können in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, wenn sie Rechtsmittel gegen eine negative Asyl-Entscheidung einlegen, indem ihnen eine Residenzpflicht auferlegt wird. Oftmals werden sie auch mit einem Arbeitsverbot belegt und ihnen können Geldleistungen gekürzt werden. Wie schnell und strikt von diesen Sanktionsmaßnahmen Gebrauch gemacht wird, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Noch haben nicht alle Bundesländer diese gesetzlichen Vorgaben umgesetzt, so dass es in der Praxis (noch) nicht immer zur Anwendung dieser Regelungen kommt. In welchen Fällen geschlechtsspezifische Gewalt bei geflüchteten Frauen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten als Asylgrund geltend gemacht werden kann, wird in der Frage 2.1 beantwortet.
Die Ablehnung eines Asylantrages als „offensichtlich unbegründet“ bedeutet einen erheblich eingeschränkten Rechtsschutz und weitere Einschränkungen beim Verbleib in Deutschland.
Gegen eine Entscheidung des Bundesamtes über ein Asylbegehrens als „offensichtlichmunbegründet“ muss Klage innerhalb von nur einer Woche (statt wie sonst zwei Wochen) erhoben werden. Die Klageerhebung führt aber vor allem, anders als bei einer Ablehnung als „einfach unbegründet“, nicht automatisch dazu, dass für die Personen bis zum Abschluss des Klageverfahrens alles so bleibt wie bisher. Vielmehr kann die Ausländerbehörde während des laufenden Klageverfahrens dazu auffordern,man der Beschaffung von Reisedokumenten für eine Abschiebung mitzuwirken und im Extremfall sogar ins Herkunftsland abschieben. Um dies zu vermeiden, muss zusätzlich zur Klage ebenfalls binnen Wochenfrist ein Eilrechtsschutzantrag gestellt werden. In diesem müssen bereits die Verfolgungsgeschichte und daraus resultierende Verfolgungsfurcht vollständig und ausführlich vorgetragen und begründet sowie Beweise vorgelegt werden. Dies bedeutet unmittelbar nach Erhalt der negativen Entscheidung binnen Wochenfrist einen enormen Arbeitsaufwand und damit eine schwer zu nehmende Hürde.
Ab der Stellung eines Asylantrages besteht für Asylsuchende in der ersten Zeit eine Reglementierung ihrer Freizügigkeit. So sind sie verpflichtet, an einem bestimmten Ort zu wohnen (Wohnsitznahmeverpflichtung) und auch in ihrer Bewegungsfreiheit (Residenzpflicht) beschränkt.
Residenzpflicht bedeutet, dass die betreffende Person nicht ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde die Stadt oder den Landkreis verlassen darf. Wenn die Residenzpflicht endet, kann
die Person in ganz Deutschland reisen und unterwegs sein und auch bei Freund*innen übernachten. Für die Wahrnehmung eines Termins bei einer Behörde oder einem Gericht, bei dem das persönliche Erscheinen erforderlich ist, bedarf es keiner vorherigen Erlaubnis zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsortes. Die Residenzpflicht gilt für Personen im Asylverfahren ab dem Tag der Antragstellung und kann laut Gesetz nach drei Monaten enden (§59 a AsylG), es sei denn die Person ist auch über die drei Monate hinaus verpflichtet, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
Dies ist seit einer Gesetzesverschärfung die Regel geworden. Denn nunmehr besteht die Pflicht zum Wohnen in der Erstaufnahmeeinrichtung – und damit auch die Residenzpflicht – bis zur Entscheidung über den Asylantrag und bei dessen Ablehnung bis zur Ausreise, längstens jedoch 18 Monate, bei Familien mit Kindern längstens 6 Monate (siehe Genaueres unten bei
Wohnsitznahmeverpflichtung).
Die bedeutet, dass auch Personen, die später als Flüchtlinge und Asylberechtigte anerkannt werden, möglicherweise 18 Monate verlieren, die sie andernfalls zur Integration hätten nutzen können.
Beendet wird die Pflicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung und damit die Residenzpflicht auch dadurch, dass die betroffene Person Bescheid erhält, in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine Wohnung umzuziehen. Dies bedeutet, dass die Bundesländer die Möglichkeit haben, die Dauer der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Zuweisung auf die Kommunen zu verkürzen.
Für eine Beschäftigung in einem anderen Landkreis, für den Schulbesuch, für eine betriebliche Aus- und Weiterbildung oder theoretisch auch für ein Studium kann die Genehmigung zum Verlassen des Ortes, für den die räumliche Beschränkung gilt, erteilt werden. Ob die Behörde die Erlaubnis erteilt, liegt in den meisten Fällen in deren Ermessen. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nur, wenn ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Erfahrungsgemäß ist es kein Problem, eine Erlaubnis für Familienangelegenheiten (Krankenbesuch, Hochzeit, Sterbefall etc.) oder wichtige
Arztbesuche zu bekommen.
Wenn der Aufenthaltsbezirk ohne Erlaubnis verlassen wird, besteht darin eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet wird. Bei mehrfachen Verstößen kann es auch zu einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe kommen. Noch wichtiger ist, dass eine höhere Geld- oder Gefängnisstrafe zur Folge haben kann, dass ein späteres humanitäres Aufenthaltsrecht gefährdet ist (s. Ausweisung). Ein Strafverfahren wegen
Residenzpflichtverletzung sollte deshalb ernst
genommen werden.
Eine räumliche Beschränkung (Residenzpflicht) kann auch nach Ablauf eines Asylverfahrens angeordnet werden, wenn die betreffende Person im Besitz einer Duldung ist, insbesondere wenn die Person wegen einer Straftat verurteilt wurde oder konkrete Maßnahmen zur Beendigung ihres Aufenthaltes bevorstehen. Verschärfend soll eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde auch dann angeordnet werden, wenn eine Abschiebung vorher durch falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit von der Person angeblich selbst verhindert wurde oder wenn bei der Beschaffung von Passpapieren etc. nicht wie erforderlich mitgewirkt wurde.
Bei Menschen mit einer Duldung kann die Ausländerbehörde zusätzlich „Maßnahmen zur Förderung der Ausreise“ treffen, wie z.B. die Verpflichtung, sich zur Aufenthaltsüberwachung regelmäßig bei der Ausländerbehörde zu melden oder eine Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen (§ 46 AufenthG). Im Zusammenhang damit ist die Verpflichtung, sich nachts immer in der Unterkunft aufzuhalten, von Gerichten abgelehnt worden. Die Gerichte urteilten, dass eine entsprechende Anordnung einen sinnvollen Bezug zum Zweck der Vorschrift haben müsse und nicht in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausarten dürfe. Ein „nächtlicher Hausarrest“ sei aber eine Freiheitsbeschränkung für die es in dieser Form keine Rechtsgrundlage gebe.
Die Verpflichtung, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass sich die Person nachts außerhalb der Wohnung aufhalten möchte (z.B. durch einen Zettel an der Zimmertür), wurde demgegenüber allerdings für rechtmäßig gehalten.
Bei Verstoß gegen Mitwirkungspflichten, die den asylsuchenden Personen auferlegt wurden, kann selbst diese Dauer von 18 Monaten nochmals verlängert werden. Zusätzlich können
die Länder regeln, dass die 18-Monatsfrist in bestimmten Fällen auf 24 Monate verlängert wird. Hiervon haben zum Beispiel Bayern und Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht.
Mit Antragstellung werden Asylsuchende einer Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen. Sie sind dann für die Dauer von längstens 18 Monaten, Familien mit minderjährigen Kindern bis zu 6 Monate, verpflichtet dort zu wohnen. Beendet wird die Pflicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung aber sofort, wenn die betroffene Person einen positiven Bescheid in ihrem Asylverfahren erhält.
Sie wird auch dadurch verkürzt, dass der Person gestattet wird, in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine Wohnung umzuziehen. Dies bedeutet, dass die Bundesländer die Möglichkeit haben, die Dauer der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Zuweisung auf die Kommunen zu verkürzen.
Besondere Regeln gelten einmal mehr auch für Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Bei den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten handelt es sich um Länder, von denen der Gesetzgeber annimmt, dass dort aufgrund eines demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage eine politische Verfolgung generell nicht zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich auch vor Verfolgung durch andere Personen auf seinem Staatsgebiet schützen kann. Die sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ werden in einer Liste, die Anlage des Asylgesetzes ist, aufgeführt. Die Liste wird alle zwei Jahre überprüft. Derzeit (Stand August 2020) gehören dazu: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien (Art. 16a GG, Anlage II zu § 29 AsylG).
Mit Ausnahme der EU-Bürger*innen unter ihnennsind diese Personen verpflichtet, für die Dauer ihres Asylverfahrens in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Wird ihr Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ oder „unzulässig“ abgelehnt, gilt dies sogar bis zu ihrer Ausreise. Während dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten und das in ihrer Aufenthaltsgestattung genannte Gebiet nur dann vorübergehend verlassen, wenn sie eine Erlaubnis vom Bundesamt erhalten.
Informationen des Flüchtlingsrat Niedersachsen zur Wohnsitzauflage:
https://www.nds-fluerat.org/leitfaden/11-fluechtlinge-mit-aufenthaltserlaubnis-nach-25-abs-3-aufenthg-national-schutzberechtigte/92-wohnen-umziehen-und-reisen/
Zur leichteren Organisation und Durchsetzung der Wohnsitzverpflichtung und der damit zusammenhängenden Kontrolle der Bewohner*innen wurden in einigen Bundesländern so genannte Ankerzentren geschaffen.
AnkER steht für „Ankunft, Entscheidung, Rückführung“. Die im August 2018 geschaffenen Zentren sind Erstaufnahmeeinrichtungen, in
denen Geflüchtete im Gegensatz zu anderen Erstaufnahmeunterkünften bis zum Ende ihres Asylverfahrens verbleiben. Zudem sollen Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, direkt aus den Ankerzentren abgeschoben werden.
Erklärtes Ziel der Ankerzentren ist es, die Asylverfahren „effizienter“ zu machen. Dafür sollen in den Einrichtungen alle Behörden vertreten sein, die am Asylverfahren beteiligt sind, wie das BAMF, die Bundesagentur für Arbeit, die Ausländerbehörde, das Sozialamt und Verwaltungsgerichte. Tatsächlich gibt es aktuell in Deutschland acht Ankerzentren: sechs in Bayern sowie jeweils eins im Saarland und in Sachsen. Ein Ankerzentrum in Bayern wurde Ende 2019 wieder geschlossen.
Oftmals geschieht die Anhörung dort Innerhalb einer Woche, nach einem Monat kann der Bescheid kommen. Personen, die gegen einen negativen Bescheid klagen, bleiben jedoch oft
zwei bis drei Jahre im Ankerzentrum – obwohl der aktuelle Koalitionsvertrag eine Maximaldauer von 18 Monaten beziehungsweise 6 Monaten für Familien vorsieht.
Geflüchtete sind in den Ankerzentren mit zahlreichen Problemen konfrontiert. In manchen Einrichtungen können die Bewohner*innen etwa ihre Zimmer nicht abschließen und haben
kaum Rückzugsmöglichkeiten. In einigen Fällen müssen sich mehrere Familien einen Raum teilen. Polizeieinheiten, die auch bei Fußballspielen und Demonstrationen eingesetzt werden, gehen ein und aus, um Lebensmittel, Wasserkocher oder Deosprays zu konfiszieren.
Die Asylverfahrensberatung in den Ankerzentren wird vom BAMF durchgeführt – zunächst in Gruppengesprächen und bei Bedarf in Einzelgesprächen. Oft wird jedoch nur die Gruppenberatung durchgeführt, in der allgemein über das Asylverfahren informiert, aber nicht auf die individuelle Situation der Geflüchteten eingegangen wird. Gelegentlich darf – abgesehen von den Mitarbeitenden der Behörden oder der Wohlfahrtsverbände – niemand in das Ankerzentrum hinein. Außerhalb liegende Beratungsangebote müssen von den asylsuchenden Personen erst einmal gefunden werden. Viele Betroffene fürchten zudem, dass sich der Kontakt zu unabhängigen Hilfsorganisationen negativ auf ihr Asylverfahren auswirkt. So wird der Zugang zu Rechtsberatung erheblich erschwert, was insbesondere für Personen mit „schlechter Bleibeperspektive“ oft einen negativen Verfahrensabschluss in sehr kurzer Zeit bedeutet.
Ärzt*innen und Psychiater*innen kritisieren belastende Faktoren wie den unzureichenden Schutz vor Übergriffen, fehlende Privatsphäre und nächtliche Ruhestörung. Es gebe in den
Ankereinrichtungen kein systematisches Vorgehen, um besonders schutzbedürftige Bewohner*innen zu identifizieren. Selbst wenn besondere Bedarfe festgestellt worden seien, gebe es kein Prozedere und kein ausreichendes Personal, um den Menschen die notwendige Unterstützung zu ermöglichen. Die Organisation Ärzte der Welt hat sich deshalb aus Protest im Oktober 2019 aus dem sogenannten Ankerzentrum Manching/ Ingolstadt zurückgezogen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dem Bundesinnenministerium unterstellt. Das BAMF ist zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens, das heißt für die formale und inhaltliche Prüfung des Asylantrags. Das BAMF hat in jedem Bundesland mindestens eine, oft mehrere Außenstellen. Die Antragsstellung erfolgt persönlich.
Beim BAMF bzw. in einer der Außenstellen erfolgt auch die persönliche Anhörung im Asylverfahren. Beim BAMF werden persönliche Daten und Fingerabdrücke der Asylsuchenden aufgenommen und gespeichert. Die Daten werden in die europäische Datenbank EURODAC eingespeist und zunächst wird abgeglichen, ob nach der Dublin III-Verordnung ein anderes europäisches Land für das Asylverfahren zuständig ist. Falls nicht, ist Deutschland und somit das BAMF für das Asylverfahren zuständig. Außerdem gibt es in jedem Bundesland mehrere
Erstaufnahmeeinrichtungen (EAEs). EAEs sind oft an BAMF-Außenstellen angedockt.
Ausländerbehörden sind Landesbehörden oder kommunale Behörden. Die Ausländerbehörden sind zuständig für die Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Regelungen (gemäß Aufenthaltsgesetz). Dazu zählt der Vollzug von Entscheidungen im Asylverfahren, das heißt Gestattung von Umzügen, Erteilung von Arbeitserlaubnissen, Regelungen des Aufenthalts nach positiven Entscheidungen, aber auch die Umsetzung von Ausweisungen und Abschiebungen. Im Anschluss an ein positiv entschiedenes Asylverfahren sind die Ausländerbehörden an die Entscheidung des BAMF gebunden. D.h. sie erteilen Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnisse für anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte laut den gesetzlichen Vorgaben. Bei allen anderen Migrant*innen also z.B. ausländischen Studierenden, Hochschulabsolvent*innen, Arbeitenden, Familienangehörigen etc. sind die
Ausländerbehörden die Entscheidungsträger. Die Ausländerbehörden stellen für den Zeitraum des Asylverfahrens auch die Aufenthaltsgestattungen sowie während des Dublinverfahrens oder nach endgültigem negativem Ausgang des Asylverfahrens die Duldungen aus.
Geschlechtsspezifische Gewalt kann im Fluchtkontext in unterschiedlichen Situationen stattfinden, was zu jeweils sehr unterschiedlicher Berücksichtigung im Asylverfahren in Deutschland führt:
Zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus kann nur erlittene Gewalt oder geschlechtsspezifische Verfolgung im Herkunftsland führen. Denn „ein
Flüchtling“ ist laut dem Wortlaut der Genfer Flüchtlingskonvention eine Person, die sich „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer ‚Rasse‘1, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“. Es geht also um eine Verfolgung im Herkunftsland. Unter Verfolgung werden auch Formen geschlechtsspezifischer Gewalt gefasst.
Die Verfolgung aufgrund des Geschlechts wurde im Laufe der Auslegung und weiterer Konkretisierung der Verfolgungsgründe der Genfer Flüchtlingskonvention dem Verfolgungsgrund der „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ zugeordnet. Zunächst stand dabei die Verfolgung von Frauen aufgrund genderspezifischer Merkmale im Fokus. Zur flüchtlingsrelevanten geschlechtsspezifischen Verfolgung gehört an erster Stelle die ausgeübte sexualisierte Gewalt durch Angehörige staatlicher Strukturen in Ausübung ihrer Staatsgewalt im Herkunftsland (u.a. Folter, Vergewaltigung in Polizeihaft oder im Gefängnis). Außerdem gehören hierher Verfolgungsmaßnahmen des Staates gegen Frauen, die allein an das Geschlecht anknüpfen.
Hierzu gehören u.a. etwa die Genitalbeschneidung, Zwangsverheiratung, die Gefahr wegen vermeintlicher „westlicher Prägung der Frauen“2.
Geht die Verfolgung nicht von Angehörigen der staatlichen Strukturen selber aus, sondern von Ehemännern, Nachbarn, anderen Personen aus der Gemeinschaft etc., muss neben der
Feststellung der Erheblichkeit der Verfolgung in einem zweiten Schritt festgestellt werden, dass der Staat und seine Organe nicht willens oder nicht in der Lage sind, vor dieser Verfolgung zu schützen. Die Rechtsprechung ist allerdings uneinheitlich. So kommen die Gerichte z.B. bei Zwangsverheiratung von der Feststellung eines Abschiebehindernisses bis zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu allen möglichen, sehr unterschiedlichen Entscheidungsabstufungen.
Wichtig für von Verfolgung Betroffene ist, dass die Feststellung von Flüchtlingsschutz oder Abschiebehindernissen grundsätzlich eine individuelle Einzelfallentscheidung ist und Verallgemeinerungen nicht möglich sind.
Auch wenn es z.B. Rechtsprechung gibt, welche die „starke Verwestlichung“3 einer Frau aus einem Land wie Afghanistan als einen Grund für eine Verfolgungsgefahr ansieht, gilt dies zum einen nicht für alle Gerichte, und kommt es zum anderen abermals auf die Bewertung des Einzelfalls an. Ebenfalls unter das Verfolgungsmerkmal „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ gehört inzwischen unstreitig die Verfolgung von LSBTIQ* aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität.
Geschlechtsspezifische Verfolgung auf der Flucht oder im Aufnahmestaat hingegen kann nicht zur Flüchtlingsanerkennung führen. Sie kann aber, wenn sie zu einer starken physischen und/oder psychischen Verletzung der betroffenen Person führt, die ein (Über)Leben im Herkunftsland unmöglich macht, dazu führen, dass ein Abschiebeverbot festzustellen ist und der betroffenen Person eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
[1] Der Begriff Rasse wird hier verwendet, da er in Gesetzestexten genutzt wird. Aktuell ist der Begriff und seine Streichung auch im Grundgesetz sehr in der Diskussion. Zur Kritik siehe zum Beispiel: heimatkunde.boell.de/de/2008/11/18/zur-problematik-des-begriffs-rasse-der-gesetzgebung und
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Policy_Paper/policy_paper_10_und_welcher_rasse_gehoeren_sie_an.pdf[2] Der Begriff ist von der Rechtssprechung geprägt.
[3] Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 21.09.2015, - 9 LB 20/14; Urteil des VG München vom 14.08.2007 - M 23 K 07.50455; Urteil des Asylgerichtshof Österreich vom 09.03.2012, Az: C2 422385-1/2011/8E
Im Falle geschlechtsspezifischer Verfolgung kann die schutzsuchende Person verlangen, von einer besonders geschulten bzw. sensibilisierten Person angehört zu werden. Es gibt beim BAMF so genannte Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung. Darüber hinaus können Frauen und in der Regel auch LSBTIQ* z.B. darauf bestehen, dass eine weibliche Person die Anhörung durchführt und auch Frauen als Sprachmittler*innen hinzugezogen werden, weil die Person nicht im Beisein von Männern über das ihr Widerfahrene sprechen kann.
Im besten Fall beantragt die schutzsuchende Person dies – ggf. mit Unterstützung einer Beratungsstelle oder einem*r Anwält*in – schon vor der Anhörung, sodass an dem konkreten Termin alle vorbereitet sind. Regelmäßig sollten aber auch im Fall, dass dies nicht geschehen ist, die Mitarbeiter*innen des BAMF die betroffene Person auch noch in der Anhörung fragen, ob es für sie in Ordnung ist, dass das Interview von einem Cis-Mann geführt wird, oder ob sie lieber eine Anhörer*in möchte.
Ergänzend können immer auch (Fach-)Stellungnahmen von Beratungsstellen zur Unterstützung des Vorbringens erlebter geschlechtsspezifischer Gewalt beim BAMF vorgelegt werden. Diese ersetzen aber nicht das persönliche Vorbringen der antragstellenden Person. Es kommt nur ganz selten und in besonderen Ausnahmefällen vor, dass aufgrund einer Stellungnahme, in der eine extreme Vulnerabilität der Person mitgeteilt wird, auf die persönliche Anhörung verzichtet wird.
Wichtig ist, dass auch bei umfangreichen Stellungnahmen der schutzsuchenden Person klar sein muss, dass dies ihren Vortrag nicht ersetzt und sie möglicherweise alles noch einmal
erzählen muss, selbst wenn ihre Geschichte dem Bundesamt schon mit der Stellungnahme zugeschickt wurde.
Fachstellungnahmen von Beratungsstellen können gerade in Fällen, in denen Personen aufgrund erlittener geschlechtsspezifischer Gewalt psychisch stark belastet sind, hilfreich sein, um der Person beim BAMF Gehör zu verschaffen, eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Anliegen zu erreichen und das persönliche Vorbringen zu stützen. Bei Erstellung einer solchen Stellungnahme sind unter anderen folgende Punkte unbedingt zu beachten:
Die Person, die Stellung nimmt, sollte dies immer sehr sorgfältig und nur in dem Rahmen ihrer beruflichen Qualifikation tun, d.h. sie sollte sich nicht zu Dingen äußern, die außerhalb ihrer Kenntnis liegen (etwa zu Zuständen im Herkunftsland oder Sozialarbeitende nicht zu psychischen Erkrankungen etc.).
Große Vorsicht ist bei der Wiedergabe der persönlichen Lebensgeschichte geboten. Oft führen Unklarheiten, Übersetzungsfehler oder andere Missverständnisse zu Fehlern oder auch nur Ungenauigkeiten, die möglicherweise später im Widerspruch zu dem stehen, was die Person in der Anhörung sagt. Widersprüche in der eigenen Verfolgungsgeschichte sind jedoch eines der größten Probleme im Asylverfahren. Denn die Behörden und auch die Gerichte gehen immer noch in großen Teilen davon aus, dass eine geflüchtete Person das ihr Widerfahrene jederzeit inhaltlich völlig übereinstimmend, widerspruchsfrei, allenfalls mit wechselnden Worten wiederholen und wiedergeben kann.
Jede allzu ausführliche Schilderung der Ereignisse, die vor der persönlichen Anhörung beim Bundesamt eingereicht wird, schränkt damit die eigenen Erklärungsmöglichkeiten der schutzsuchenden Person ein und verlangt von ihr möglicherweise die Aufklärung von Widersprüchen, die ihr selber gar nicht klar sind.
Hilfreicher sind vielfach Stellungnahmen, in denen die schreibende Person mitteilt, wie der (erste) Kontakt mit der schutzsuchenden Person verlief, wie diese ihr begegnet ist, wie der Gesprächsverlauf war und was der stellungnehmenden Person aufgefallen ist.
Grundsätzlich haben Gewaltschutzanordnungen keinen direkten Einfluss auf das Asylverfahren. Im Asylverfahren geht es in erster Linie um die Beurteilung der Situation im Herkunftsland.
Wie bereits ausgeführt, kann aber die Gewalttätigkeit des Ehepartners das Asylverfahren einer Frau dahingehend beeinflussen, dass darin möglicherweise ein hinzukommendes Abschiebehindernis begründet liegt. Bewertet wird dann, ob die Gewalttätigkeit des Partners oder der Umstand, dass diesem z.B. die gemeinsamen Kinder (vorübergehend) entzogen wurden oder werden, eine Verfolgung bei einer unterstellten Rückkehr ins Herkunftsland bedeuten kann. Beispielsweise, wenn im Falle der Trennung die Kinder nach dem (Gewohnheits-) Recht des Herkunftsstaates zur Familie des Mannes gehören und die Frau, die mit den Kindern vor dem Mann geflüchtet ist, durch die Familie des Mannes bedroht wird. Dies ist aber nur für den konkreten Einzelfall zu beantworten und kann nicht pauschalisiert werden.
Nicht nur bei einer längerfristigen Trennung, sondern gerade auch im Falle einer Gewaltschutzanordnung sollte unbedingt daran gedacht werden, dass die Asylverfahren der Eheleute getrennt werden (können). Hierzu ist es sehr wichtig, vorher anwaltlichen Rat einzuholen.
Im Falle einer Trennung muss zunächst im Einzelfall genau geklärt werden, welchen Aufenthaltsstatus die Eheleute haben, ob eine*r oder beide sich noch im Asylverfahren befinden oder ob bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Weiter ist zu prüfen, ob der Aufenthalt – in unseren Fällen meist der der Frau – vom Zusammenleben bzw. der Ehe mit ihrem Ehepartner abhängt. Es gibt verschiedene Konstellationen:
Es ist demnach im Falle einer Trennung zu prüfen, ob die Frau eigene Verfolgungsgründe hat, die sie möglicherweise gar nicht geltend gemacht hat oder ob die Trennung möglicherweise
einen neuen Grund für ein Abschiebehindernis darstellt.
Oftmals kann die Trennung als solche oder der im Herkunftsstaat vorgesehene Verbleib der Kinder beim Vater ein neuer Grund für z.B. ein Abschiebehindernis sein. Diese Frage sollte im
Einzelfall in einer sachkundigen Rechtsberatung geklärt werden. Wiederum anders ist die Situation, wenn gemeinsame Kinder da sind, die über den anerkannten Vater Flüchtlingsschutz erhalten haben. Dann kann auch die getrennte Frau ihren Aufenthalt über die Ausübung der elterlichen Sorge ihren Aufenthalt sichern (siehe 11.).
In familienrechtlichen Streitigkeiten gibt es grundsätzlich zunächst keine Besonderheiten für Personen, die sich im Asylverfahren befinden. So kann jede Person im Asylverfahren beim Familiengericht einen Antrag auf Aufenthaltsbestimmungsrecht, auf Sorgerecht und Umgang, auf Unterhalt und auf Gewaltschutz stellen. Inhaltlich kann es zum Teil zu Schwierigkeiten kommen, weil sich aufgrund der verschiedenen, aber jedenfalls nicht deutschen Staatsangehörigkeiten der Betroffenen oft Fragen nach dem anzuwendenden Recht stellen. Solche Fragestellungen entsprechen zugleich denen anderer nichtdeutscher Paare bzw. Familien.
Zusätzlich ist bei Paaren und Familien, die sich noch im Asylverfahren befinden, zu beachten und zu klären, ob die Asylverfahren getrennt werden und was das für die Vertretungsberechtigung der Kinder bedeutet. Wenn sich also z.B. die Frau trennt und die Kinder mitnimmt, müsste hier eigentlich die alleinige Vertretungsbefugnis für das Asylverfahren – alle Belange die Kinder betreffend – als Teil des Sorgerechts beantragt werden. Oder im entgegengesetzten Fall müsste beantragt werden, dass die Frau auch über Entscheidungen, die ihre Kinder betreffen, informiert wird, selbst wenn sie keinen Einblick mehr in das Verfahren ihres Ehemannes hat. Hier schaffen vielfach das BAMF, Rechtsanwält*innen oder auch die Verwaltungsgerichte Fakten, die familienrechtlich auf wackeligen Füßen stehen.
Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, müssen in Deutschland grundsätzlich nicht extra anerkannt werden. Es kann ein Antrag auf Beurkundung der Ehe im Eheregister gestellt werden, wenn eine*r der Ehepartner*innen deutsche*r Staatsbürger*in ist.
Die Voraussetzungen für eine Eheschließung unterliegen dem Recht des Herkunftsstaates. Eine im Herkunftsstaat geschlossene Ehe ist auch in Deutschland gültig und wird hier anerkannt, wenn zum Zeitpunkt der
Eheschließung die materiell-rechtlichen Eheschließungsvoraussetzungen (z.B. Ledigkeit, Mindestalter) für beide Partner nach ihrem jeweiligen Heimatrecht vorlagen und die Ehe im Herkunftsland anerkannt ist (nach Art. 13 EGBGB: Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Es kann Ausnahmen bei der Anerkennung von Ehen geben, wenn eine rechtliche Norm im Ausland gegen den sogenannten „ordre public“ verstößt. D.h., wenn die ausländische Eheschließung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, ist diese in Deutschland nicht anzuerkennen bzw. unwirksam.
Die Beurteilung eines Verstoßes gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts (vgl. Art. 6 EGBGB) kann nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des ausländischen Rechts erfolgen. So wurde ein Verstoß z.B. angenommen, wenn es der Herkunftsstaat erlaubt, dass Kinder schon mit 14 Jahren heiraten können.
Minderjährige, von ihren Eltern nicht begleitete Geflüchtete werden in Deutschland regelmäßig vom Jugendamt in Obhut genommen und bekommen einen Vormund bestellt.
Ist nun die minderjährige Person mit ihrer*m Ehepartner*in hierher geflohen, ist zunächst zu klären, ob die Ehe in Deutschland als wirksam anzusehen ist. Hier hat es durch das seit dem 18.07.2017 geltende „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ einschneidende Veränderungen gegeben.
Nunmehr gilt, dass Ehen, bei denen eine*r der Beteiligten unter 18 Jahre alt ist, in Deutschland nicht mehr geschlossen werden können, auch nicht wie bisher mit Zustimmung der Eltern oder des Jugendamtes. Für im Ausland geschlossene Ehen mit Minderjährigen gilt, dass Ehen, an denen unter 16-Jährige beteiligt sind, grundsätzlich nichtig sind und Ehen, an denen Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren beteiligt sind, auf Antrag hin aufgehoben werden sollen. Dies kann weitreichende rechtliche Konsequenzen haben.
Schon der Titel „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ verdeutlicht eine Haltung der Stigmatisierung von Ehen in der Öffentlichkeit. Der Begriff „Kinderehe“ suggeriert Zwangsverheiratung von Kindern, insbesondere von Mädchen im Alter bis 14. Tatsächlich haben Ehen mit und zwischen Minderjährigen multiple Hintergründe; hinter ihnen stehen unterschiedliche Lebenswirklichkeiten. So ist z.B. die Ehe zwischen einem 17-jährigen Jugendlichen mit einer 19-Jährigen, die geheiratet haben, um aus Syrien gemeinsam nach Deutschland fliehen zu können, mit „Kinderehe“ unzutreffend gerahmt (Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht eV (DIJuF) am 22. Februar 2017).
Probleme tauchen auf, wenn z.B. eine Minderjährige und ihr Partner bereits ein Kind haben oder ein gemeinsames Kind in Deutschland geboren wird. Dann muss nun zunächst die Vaterschaft anerkannt oder festgestellt werden. Hierfür benötigt die Minderjährige die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters (§ 1596 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 BGB). Ein Vormund (gesetzliche Vertretung) wird nach den bisherigen Erfahrungen allerdings oft erst mit erheblichem zeitlichem Abstand, nicht selten erst nach Monaten, bestellt.
Das Kind der minderjährigen Mutter ist in dieser Zeit nur eingeschränkt gesetzlich vertreten (§ 1673 BGB). Unterhaltsansprüche können zwar rückwirkend geltend gemacht werden, fehlen aber unter Umständen über Monate zum Bestreiten des täglichen Lebensbedarfs.
Auch ein Umgangsrecht ist ohne rechtliche Vaterschaft nicht durchsetzbar. Ähnliches gilt in Bezug auf die elterliche Sorge für gemeinsame Kinder: Eine Mitsorgeberechtigung des Partners der minderjährigen Mutter kann nur über die Abgabe übereinstimmender Sorgeerklärungen erreicht werden. Auch hierfür ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters der Mutter erforderlich (§ 1626c Abs. 2 S. 1 BGB), sodass auch im Bereich der elterlichen Sorge mit Verzögerungen und unklaren rechtlichen Zuständen zu rechnen ist. Fraglich ist außerdem, ob und wann die Eltern eine entsprechende Beratung/ Information erhalten, um z.B. die Vaterschaftsanerkennung und die Abgabe übereinstimmender Sorgeerklärungen nachzuholen.
Im Falle einer Trennung muss zunächst im Einzelfall genau geklärt werden, welchen Aufenthaltsstatus die Eheleute haben, ob eine*r oder beide sich noch im Asylverfahren befinden oder ob bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Weiter ist zu prüfen, ob der Aufenthalt – in unseren Fällen meist der der Frau – vom Zusammenleben bzw. der Ehe mit ihrem Ehepartner abhängt. Es gibt verschiedene Konstellationen:
Es ist demnach im Falle einer Trennung zu prüfen, ob die Frau eigene Verfolgungsgründe hat, die sie möglicherweise gar nicht geltend gemacht hat oder ob die Trennung möglicherweise einen neuen Grund für ein Abschiebehindernis darstellt.
Oftmals kann die Trennung als solche oder der im Herkunftsstaat vorgesehene Verbleib der Kinder beim Vater ein neuer Grund für z.B. ein Abschiebehindernis sein. Diese Frage sollte im Einzelfall in einer sachkundigen Rechtsberatung geklärt werden. Wiederum anders ist die Situation, wenn gemeinsame Kinder da sind, die über den anerkannten Vater Flüchtlingsschutz erhalten haben. Dann kann auch die getrennte Frau ihren Aufenthalt über die Ausübung der elterlichen Sorge ihren Aufenthalt sichern (siehe weiter unten).
Die Kosten für juristische Beratung müssen Geflüchtete – und damit auch von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene geflüchtete Frauen – selbst bezahlen, solange die Verfahren noch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder der Ausländerbehörde bearbeitet werden.
Hier kann zwar, wie in familienrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren auch, für das außergerichtliche Verfahren Beratungshilfe beantragt werden. Jedoch ist die sehr aufwendige anwaltliche Vertretung im
Asylverfahren für eine einmalige Beratungshilfe in Höhe von ca. 100 € nicht angemessen leistbar. Immer wieder bezuschussen auch Flüchtlingsunterstützungsorganisationen, wie zum Beispiel Pro Asyl, die Deutsche Aids Hilfe, Reporter ohne Grenzen u.a. die Vertretung von Geflüchteten. Auch kann bei Frauenorganisationen angefragt werden, ob sie im Einzelfall die Kosten der anwaltlichen Vertretung bezuschussen.
Wenn der Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ganz oder teilweise abgelehnt wird und dagegen Klage beim Verwaltungsgericht erhoben wird, kann für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe beantragt werden. Ob Prozesskostenhilfe bewilligt wird, hängt zum einen von der Bedürftigkeit der Person ab. Es muss also nachgewiesen werden, dass sie selber nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. Zum anderen muss aber der Ausgang des Verfahrens zumindest offen sein. Der Staat zahlt keine*r Rechtsanwält*in für das Führen von vorneherein aussichtslosen Gerichtsprozessen. Deshalb prüft das Verwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren vorab, ob die Klage Erfolg haben kann. Hier ist die Entscheidungspraxis, ob Prozesskostenhilfe bewilligt wird, so unterschiedlich wie die Entscheidungspraxis in den Verfahren selbst unter den Gerichten unterschiedlich ist. Es kann also keinesfalls grundsätzlich gesagt werden, dass im Klageverfahren immer Prozesskostenhilfe bewilligt wird.
Da die Entscheidung, ob Prozesskostenhilfe bewilligt wird, oftmals erst sehr spät in dem gerichtlichen Verfahren getroffen wird, verlangen Rechtsanwält*innen in aller Regel einen Vorschuss und regelmäßige monatliche Ratenzahlungen auf die Gebühren, die dann – im Falle einer bewilligten Prozesskostenhilfe – angerechnet werden müssen.
Im verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren besteht kein Anwaltszwang. Das bedeutet, die betroffene Person muss nicht anwaltlich vertreten sein. Deshalb kann zum Beispiel eine Klage, die immer innerhalb einer Frist eingereicht werden muss, von der geflüchteten Person selbst per Fax oder direkt persönlich bei der Rechtsantragstelle des zuständigen Gerichts eingereicht werden. Dort sitzen Gerichtsangestellte, die den Antragstellenden helfen. Auch kann eine gute Klagebegründung von einem „pfiffigen“ Kreis von Unterstützenden vorbereitet werden, sodass oftmals Rechtsanwält*innen auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeschaltet werden können.
Ja, grundsätzlich kann eine von Gewalt betroffene Frau während des Asylverfahrens einen Beratungshilfeschein erhalten. Es wird sich jedoch schwer eine*n Rechtsanwält*in zu finden, welche die sehr umfangreiche gesamte Vertretung in einem Asylverfahren für die Gebühren in Höhe von 100 €, die sie mit einem Beratungshilfeschein abrechnen kann, übernehmen kann (siehe weiter oben).
Nach Abschluss des Verfahrens kann man sich mit einem Beratungshilfeschein noch über die Aussichten einer möglichen Klage beraten lassen. Sobald das gerichtliche Verfahren eingeleitet ist, gibt es keine Beratungshilfe mehr, sondern ab dann setzt die Prozesskostenhilfe ein (siehe weiter oben).
Übersicht über Finanzierungsmöglichkeiten von Frauenhausaufenthalten: Tabelle im Anhang.
Über Fonds bzw. Förderprogramme des Bundeslandes oder der Kommune sowie über die Landesanteile der Finanzierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen bestehen Möglichkeiten der Finanzierung von Dolmetscher*innen durch öffentliche Fördermittel. So stellen einige Bundesländer beispielsweise Zugang zu Online-Sprachmittlung für Beratungseinrichtungen zur Verfügung. Diese Regelungen stehen aber nicht in allen Bundesländern und nicht für alle Frauenhäuser und Fachberatungsstellen zur Verfügung. Die Qualität der Übersetzungen, die Zugänglichkeit zu den Mitteln oder zum Abrechnungsverfahren können regional und im Einzelfall sehr verschieden sein.
Für eine Erstberatung mit einer gewaltbetroffenen Frau oder zur Ermittlung ihrer Sprache kann das Bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ hinzugezogen werden (siehe Informationsblatt
des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“: Mehrsprachige Beratung nach Anruf durch eine Unterstützungseinrichtung:
https://www.hilfetelefon.de/fileadmin/content/Materialien/Infoblaetter/Hilfetelefon_Gewalt_gegen_Frauen_Infoblatt_Unterstuetzungseinrichtungen_barrierefrei617.pdf).
Bisher gibt es keine bundeseinheitliche Regelung zur Finanzierung von Dolmetschleistungen. Dies führt in der Praxis zu einem eklatanten Mangel an professionellen Übersetzungen. Dadurch kommt es im Praxisalltag häufig vor, dass Kinder oder nicht-professionelle Unterstützungspersonen im sozialen Umfeld übersetzen.
Problematisch ist ebenfalls, dass an vielen Stellen kein professionelles Dolmetschen, sondern lediglich Sprachmittlungen durch öffentliche Fördermittel finanziert werden. Die für das sensible Thema Gewalt dringend
notwendigen Standards bezüglich Fachlichkeit und professioneller Distanz können dadurch nicht unbedingt gewährleistet werden.
Darüber hinaus werden häufig schlechter bezahlte Mitarbeiter*innen mit entsprechenden Sprachkenntnissen zum Teil gesondert dafür eingestellt (etwa auf 400 € Basis) oder über ihre eigentliche Aufgabe bzw. Rolle hinausgehend für Übersetzungen eingesetzt. In Unterkünften für geflüchtete Menschen sind dies vielerorts Mitarbeiter*innen des Wachdienstes, was zur Rollendiffusion führt und gegen die gebotene Neutralität der übersetzenden Person verstößt.
Zudem stehen Übersetzungsdienste oftmals nur für die größten Sprachgruppen (z.B. Arabisch oder Russisch) zur Verfügung, während Übersetzungen in andere Sprachen schwer zu erhalten sind.
Fachberatungsstellen und Frauenhäuser fordern seit Langem von Bund, Ländern und Kommunen, dass in allen Bundesländern ausreichend finanzielle Mittel für Dolmetschleistungen zur Verfügung gestellt werden müssen.
Die Residenzpflicht (siehe oben) schränkt in den ersten Wochen nach der Asylantragstellung bzw. bei Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ggf. auch für die Dauer des gesamten Asylverfahrens die Bewegungsfreiheit in Deutschland ein. Das bedeutet, dass z.B. gewaltbetroffene Frauen, die vor den Tätern fliehen und sich an einen Ort begeben, an den sie sich wegen der bestehenden Residenzpflicht nicht begeben dürfen, vorab eine Erlaubnis einholen müssen (je nach Stand des Verfahrens beim BAMF oder der Ausländerbehörde, per Antrag und am besten schriftlich) oder ansonsten gegen diese Verpflichtung verstoßen und damit eine Ordnungswidrigkeit begehen. Bei gewaltbetroffenen Frauen gilt eine solche Ordnungswidrigkeit, die durch die Flucht vorm Täter entsteht, als gerechtfertigt und hat keinen direkten negativen Einfluss auf das Asylverfahren.
Da es oftmals um akute Gefahrsituationen geht, kann in der Regel die nachträgliche Zustimmung eingeholt bzw. das Verhalten der Frau als entschuldigt angesehen werden.
Zu Beginn des Asylverfahrens besteht die Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen – bis zur Entscheidung über den Asylantrag, im Falle einer negativen Entscheidung bis zur Ausreise, längstens jedoch bis zu einer Dauer von 18 Monaten, bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten längstens bis zu sechs Monaten (§ 47 AsylG).
Diese Verpflichtung endet auf der anderen Seite sofort mit einer vorherigen positiven Entscheidung über den Asylantrag oder wenn die Person durch Eheschließung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat oder wenn sie einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen wird. Ob es eine Zuweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft gibt oder das Recht besteht, sich eine eigene Wohnung zu suchen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.
Die Verpflichtung, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann auf Antrag im Ermessensweg aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge (z.B. ansteckende Krankheiten) sowie aus sonstigen Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (z.B. eskalierende Spannungen unter Bewohner*innen oder drohende Übergriffe von außen) oder aus anderen zwingenden Gründen beendet werden. „Andere zwingende Gründe“ sind beispielsweise schwere (psychische) Krankheiten und die Betreuungs- bzw. Pflegebedürftigkeit der asylsuchenden Person oder ihrer Angehöriger.
Ein Weg, die vorzeitige Entlassung aus der Aufnahmeeinrichtung zu erreichen, ist, die Zuweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eigene Wohnung aus Gründen des Gewaltschutzes zu erreichen.
Personen, die Asyl beantragen oder eine Duldung haben, werden einem bestimmten Aufenthaltsort zugewiesen. Einmal zugewiesen, kann später durch einen Umverteilungsantrag versucht werden, die Erlaubnis für den Umzug an einen anderen Ort (innerhalb des Bundeslandes oder länderübergreifend) zu erwirken. In Fällen besonders vulnerabler Personen (z.B. bei dringendem Bedarf für spezialisierte Unterstützung) ist es manchmal sinnvoll, gleich zu Beginn mit Asylantragstellung die Erstzuweisung an einen spezifischen Ort durch einen Zuweisungsantrag zu ersuchen. Bei der Entscheidung über die Anträge sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder „sonstige humanitäre Gründen von vergleichbarem Gewicht“ zu berücksichtigen.
Es ist jederzeit möglich, dass die betroffene Person selbst, ggf. mit Hilfe von Unterstützenden, auf eine beschleunigte Bearbeitung eines Umverteilungsantrages drängt – im Falle von Gewaltbetroffenheit ist das auch gut zu begründen. Eine grundsätzliche gesetzliche oder verwaltungsinterne Vorgabe, dass bestimmte Anträge beschleunigt zu bearbeiten sind, gibt es nicht. Grundsätzlich kann bei Untätigkeit einer Behörde frühestens nach drei Monaten sogenannte Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht erhoben werden.
Aus dem Wortlaut des Gesetzes/der Vorschrift folgt, dass die landesinterne Verteilung Vorrang vor der länderübergreifenden Verteilung genießt und insbesondere bei Umverteilungsanträgen aus humanitären Gründen zu beachten ist. Für die Bearbeitung der Anträge ist die für den Zuzugsort zuständige Ausländerbehörde jeweils zuständig (sogenannte „Zuzugsbehörde“).
Inwieweit dem Umzug in genau den Wunschort entsprochen wird und entsprochen werden kann, hängt also davon ab, ob humanitäre Gründe vorliegen und vorgetragen werden, die einen Umzug an genau diesen Ort erforderlich machen. Hierfür ist es zum Beispiel wichtig vorzutragen, dass die Frau an dem Wunschort die notwendige Unterstützung erhält, dort Verwandtschaft lebt, die sie unterstützt oder dort ein Platz im Frauenhaus frei ist. Die Anforderungen an die Begründung von Umverteilungsanträgen sind in der Regel recht hoch, im Falle von gewaltbetroffenen Frauen jedoch unter den oben genannten Gesichtspunkten gut zu begründen. Der allgemein formulierte Wunsch, an einem bestimmten Ort wohnen zu wollen, reicht in der Regel nicht aus.
Einer Umverteilung im Status der Duldung, also möglicherweise nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens, wird nur in besonderen Ausnahmefällen zugestimmt. Aus behördlicher Sicht ist die Person zur Ausreise verpflichtet und ihre Rechte seien daher auf ein Minimum begrenzt. Dennoch darf der Gewaltschutz auch in diesen Fällen nicht ausgehebelt werden und entsprechende Anträge sollten bei Vorliegen der Voraussetzungen gestellt werden.
Selbstverständlich gibt es auch bei gewaltbetroffenen Frauen im Asylverfahren die Möglichkeit der Wegweisung von Tätern aus Gemeinschaftsunterkünften und aus eigenen Wohnungen. Die Polizei kann die Täter aus der Flüchtlingsunterkunft verweisen und die Unterkünfte können den Tätern Hausverbot erteilen.
Bei den anzuordnenden Anweisungen ist aber eine mögliche Wohnsitzauflage oder Residenzpflicht der Täter zu berücksichtigen. Besteht für den Täter tatsächlich noch eine Residenzpflicht, so begeht er eine Ordnungswidrigkeit, wenn er aufgrund einer Gewaltschutzanordnung aus dem ihm zugewiesenen Gebiet verwiesen wird. Auch kann er bei einer bestehenden Wohnsitzauflage nicht ohne weiteres seinen Wohnsitz außerhalb des Gebietes nehmen. Bei einer Anordnung des Familiengerichts, die einen Täter längerfristig aus einer Unterkunft verweist, muss daher in der Anordnung ein Verweis auf die aufenthaltsrechtliche Änderung der Wohnsitzauflage bzw. eine Zuweisung in eine neue Unterkunft erfolgen.
Gewaltschutzanordnungen haben keinen direkten Einfluss auf das Asylverfahren haben, denn im Asylverfahren geht es in erster Linie um die Beurteilung der Situation im Herkunftsland.
Wie bereits oben unter Frage 3.4 ausgeführt, kann aber die Gewalttätigkeit des Ehepartners das Asylverfahren einer gewaltbetroffenen Frau dahingehend beeinflussen, dass darin möglicherweise ein neu hinzukommendes Abschiebehindernis für die Frau begründet liegt. Bewertet wird dann, ob die Gewalttätigkeit des Partners oder der Umstand, dass diesem z.B. die gemeinsamen Kinder (vorübergehend) entzogen wurden oder werden, eine Verfolgung bei einer unterstellten Rückkehr ins Herkunftsland bedeuten kann. Beispielsweise, wenn im Falle der Trennung die Kinder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur Familie des Mannes gehören und die Frau, die mit den Kindern vor dem Mann geflüchtet ist, durch die Familie des Mannes bedroht wird.
Dies ist aber nur für den konkreten Einzelfall zu beantworten und kann nicht pauschalisiert werden.
Nicht nur bei einer längerfristigen Trennung, sondern gerade auch im Falle einer Gewaltschutzanordnung, sollte unbedingt daran gedacht werden, dass die Asylverfahren der Eheleute getrennt werden (können). Hierzu ist es sehr wichtig, vorher anwaltlichen Rat einzuholen.
In dem ganz auf die Beendigung des Aufenthaltes angelegten „Geordnete Rückkehr- Gesetz“ wurde – hervorgegangen aus dem Druck einer mehrjährigen Zusammenarbeit von BMFSFJ, UNICEF, Wohlfahrtsverbänden, KOK, Frauenhauskoordinierung e.V. und vielen anderer Partner*innen – in § 44 Abs. 2a AsylG eingefügt, dass die Länder geeignete Maßnahmen treffen sollen, um bei der Unterbringung Asylbegehrender den Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen zu gewährleisten.
Personen im Sinne dieser Norm sind neben den Frauen laut Gesetzesbegründung insbesondere Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, lesbische, schwule, bi-, trans oder intersexuelle Personen, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Erkrankungen und Personen,
die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, weiblicher Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung oder Opfer von Gewalt aufgrund sexueller, geschlechtsbezogener, rassistischer oder religiöser Motive.
Erstmals 2016 wurden bundesweit einheitliche „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ entwickelt, die nunmehr in dritter, erheblich erweiterter Auflage vorliegen:
https://www.bmfsfj.de/blob/117472/bc24218511eaa3327fda2f2e8890bb79/mindeststandards-zum-schutzvon-gefluechteten-menschen-influechtlingsunterkuenften-data.pdf
Die Mindeststandards dienen als Leitlinien für die Erstellung und Umsetzung von einrichtungsinternen Schutzkonzepten in Flüchtlingsunterkünften. Viele Bundesländer haben ihre eigenen Gewaltschutzkonzepte für Flüchtlingsunterkünfte entwickelt, die zum Teil für die Träger der Unterbringungseinrichtungen verpflichtend sind, hinsichtlich der konkreten Umsetzung aber eher vage bleiben. So finden sich oft die Einschübe „in der Regel“, „soweit möglich“, „wenn nicht möglich, werden andere Lösungen gesucht“.
Die Verantwortung dafür, dass Gewaltschutzkonzepte angemessen umgesetzt werden, liegt bei den hauptamtlichen Leitungen der jeweiligen Unterkunft. Es ist jedoch bei der Unterstützung der Frauen auch für andere Beteiligte enorm hilfreich, Gewaltschutzkonzepte zu kennen – auch um zu wissen, dass es in jeder Unterkunft klar benannte Ansprechpartner*innen für Betroffene gewalttätiger Übergriffe oder sexualisierter Gewalt geben muss.
Eine Übersicht zu Gewaltschutzkonzepten finden sich auf folgender Webseite:
http://www.gewaltschutz-gu.de/weitere_materialien/gewaltschutzkonzepte_berichte_und_andere_veroeffentlichungen/
Eine Wohnsitzauflage (nach Abschluss des Asylverfahrens bei Besitz von humanitären Titeln oder der Zuerkennung von internationalem Schutz) kann zur Vermeidung einer Härte auf Antrag aufgehoben werden. Eine solche Härte liegt dem Gesetzgeber zufolge im Falle von Gewalt gegen Frauen vor. Demnach ist es für eine gewaltbetroffene Person unzumutbar, an einen Wohnort gebunden zu sein, wenn auch die gewalttätige Person durch die Wohnsitzauflage an diesen Wohnsitz gebunden ist. Unzumutbar ist es demnach auch, wenn eine Wohnsitzauflage eine Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz oder sonstige erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt (insbesondere vor häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt) konterkariert.
Wenn der Gewaltschutzfall hinreichend dargelegt und nachgewiesen ist, soll immer ein Härtefall im Sinne des § 12a AufenthG vorliegen und eine bestehende Wohnsitzverpflichtung ist aufzuheben.
Binnen sechs Wochen nach der Flucht aus dem zugewiesenen Wohnort muss die betroffene Person in einem Antrag darlegen, dass sie häusliche oder geschlechtsspezifische Gewalt erlitten hat und ihr derartige Gewalt auch zukünftig droht, wenn sie ihren Wohnsitz nicht verlegen dürfte. Deshalb muss so konkret wie möglich ausgeführt werden, in welcher Art, zu welcher Zeit und durch wen Gewalt ausgeübt wurde. Weiter ist anzugeben, an welchen Ort und in welche Schutzeinrichtung der Wohnsitz verlegt werden soll. Neben der Schilderung des Sachverhalts sollen zudem geeignete Nachweise vorgelegt werden. Dazu zählen neben ärztlichen Attesten oder Krankenhausberichten ausdrücklich auch die Bestätigung eines Frauenhauses oder eine gerichtliche Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz u.ä. Auf solche Nachweise kann in besonderen Ausnahmensituationen verzichtet werden.
Wichtig ist auch, dass Personen keinen Verstoß gegen die Wohnsitzverpflichtung des § 12a AufenthG und damit auch keine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn sie sich in einer solchen Gewaltsituation vorübergehend (6 Wochen) außerhalb der Kommune oder sogar des Bundeslandes aufhalten, der bzw. dem sie zugewiesen wurden. Zuständig für die Bearbeitung des Antrags ist die Ausländerbehörde, die für den Ort zuständig ist, für den eine Wohnsitzauflage besteht. Diese muss jedoch die Zustimmung der Ausländerbehörde des Ortes, in den der Zuzug geplant ist, einholen.
Anträge zur Vermeidung einer Härte insbesondere in Fällen häuslicher und/oder geschlechtsspezifischer Gewalt sollen laut einem gemeinsamen Rundschreiben des BMI und des BMFSFJ aus Februar 2020 zur Wohnsitzregelung in Gewaltschutzfällen mit besonderer Priorität bearbeitet werden:
https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2020/03/BMI_BMFSFJ_Wohnsitzrglng_Gewaltschutz_14-02-2020.pdf)
Bisher gibt es keine bundeseinheitlichen Beschwerdestrukturen für geflüchtete Menschen und deren Unterstützer*innen1. Beschwerden werden derzeit von verschiedenen Personengruppen an unterschiedliche Stellen innerhalb und außerhalb von Unterkünften gerichtet.
Beschwerden innerhalb der Unterkunft sollten an alle dort mitwirkenden Personen gerichtet werden können (Leitung, Personal, Bewohner*innen-Vertretungen, externe Fachstellen bzw. Kooperationspartner*innen sowie Ehrenamtliche, die in der Unterkunft tätig sind).
Sofern es keine formal eingerichteten Beschwerdestrukturen gibt, kommen u.a. folgende übergeordnete Stellen als mögliche Adressat*innen von Beschwerden in Frage:
In den „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ der Bundesinitiative des BMFSFJ und Unicef werden sowohl interne als auch externe Beschwerdestellen gefordert.
[1] Eine Ausnahme stellt das Bundesland Nordrhein-Westfalen dar, das in jeder Landesunterkunft eine Beschwerdestelle finanziert. Darüber hinaus gibt es in NRW eine überregionale Koordinierungsstelle, mobile Controllingteams sowie einen Runden Tisch, der beim Innenministerium des Landes NRW angesiedelt ist.
Hat sich die Frau aufgrund einer akuten Gewaltsituation bereits in ein Frauenhaus begeben, ist folgendes zu beachten: Bei bestehender Wohnsitzverpflichtung für einen anderen Ort oder Landkreis muss bei der Zuzugsbehörde die Umverteilung in den Ort, an dem sich das Frauenhaus befindet, beantragt werden (siehe oben).
Eventuell besteht noch eine Residenzpflicht (siehe weiter oben) und die betroffene Frau verstößt mit ihrem Wechsel ins Frauenhaus gegen diese. Das stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Bei gewaltbetroffenen Frauen gilt eine solche Ordnungswidrigkeit, die durch die Flucht vorm Täter entsteht, aber als gerechtfertigt und hat keinen direkten negativen Einfluss auf das Asylverfahren.
Die Verletzung der Residenzpflicht bedeutet eine Ordnungswidrigkeit (§86 AsylG), mehrfache Verstöße stellen schon eine Straftat dar (§85 Nr.2 AsylG). Bei gewaltbetroffenen Frauen gilt eine solche Ordnungswidrigkeit, die durch die Flucht vorm Täter entsteht, aber als gerechtfertigt und hat keinen direkten negativen Einfluss auf das Asylverfahren.
Personen, die Asyl beantragen oder eine Duldung haben, werden einem bestimmten Aufenthaltsort zugewiesen. Einmal zugewiesen, kann später durch einen Umverteilungsantrag versucht werden, die Erlaubnis für den Umzug an einen anderen Ort (innerhalb des Bundeslandes oder länderübergreifend) zu erwirken. In Fällen besonders vulnerabler Personen (z.B. bei dringendem Bedarf für spezialisierte Unterstützung) ist es manchmal sinnvoll, gleich zu Beginn mit Asylantragstellung die Erstzuweisung an einen spezifischen Ort durch einen Zuweisungsantrag zu ersuchen. Bei der Entscheidung über die Anträge sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder „sonstige humanitäre Gründen von vergleichbarem Gewicht“ zu berücksichtigen.
Es ist jederzeit möglich, dass die betroffene Person selbst, ggf. mit Hilfe von Unterstützenden, auf eine beschleunigte Bearbeitung eines Umverteilungsantrages drängt – im Falle von Gewaltbetroffenheit ist das auch gut zu begründen. Eine grundsätzliche gesetzliche oder verwaltungsinterne Vorgabe, dass bestimmte Anträge beschleunigt zu bearbeiten sind, gibt es nicht. Grundsätzlich kann bei Untätigkeit einer Behörde frühestens nach drei Monaten sogenannte Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht erhoben werden.
Aus dem Wortlaut des Gesetzes/der Vorschrift folgt, dass die landesinterne Verteilung Vorrang vor der länderübergreifenden Verteilung genießt und insbesondere bei Umverteilungsanträgen aus humanitären Gründen zu beachten ist. Für die Bearbeitung der Anträge ist die für den Zuzugsort zuständige Ausländerbehörde jeweils zuständig (sogenannte „Zuzugsbehörde“).
Inwieweit dem Umzug in genau den Wunschort entsprochen wird und entsprochen werden kann, hängt also davon ab, ob humanitäre Gründe vorliegen und vorgetragen werden, die einen Umzug an genau diesen Ort erforderlich machen. Hierfür ist es zum Beispiel wichtig vorzutragen, dass die Frau an dem Wunschort die notwendige Unterstützung erhält, dort Verwandtschaft lebt, die sie unterstützt oder dort ein Platz im Frauenhaus frei ist. Die Anforderungen an die Begründung von Umverteilungsanträgen sind in der Regel recht hoch, im Falle von gewaltbetroffenen Frauen jedoch unter den oben genannten Gesichtspunkten gut zu begründen. Der allgemein formulierte Wunsch, an einem bestimmten Ort wohnen zu wollen, reicht in der Regel nicht aus.
Einer Umverteilung im Status der Duldung, also möglicherweise nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens, wird nur in besonderen Ausnahmefällen zugestimmt. Aus behördlicher Sicht ist die Person zur Ausreise verpflichtet und ihre Rechte seien daher auf ein Minimum begrenzt. Dennoch darf der Gewaltschutz auch in diesen Fällen nicht ausgehebelt werden und entsprechende Anträge sollten bei Vorliegen der Voraussetzungen gestellt werden.
Übersicht über Finanzierungsmöglichkeiten von Frauenhausaufenthalten: Tabelle im Anhang.
Für die Änderung des Familiennamens einer Person ist das Recht des Staates maßgebend, dem sie angehört (Heimatrecht). Deshalb dürfen deutsche Behörden grundsätzlich nur Familiennamen von Deutschen ändern. In dem einschlägigen Gesetz, dem Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndG) und der dazugehörigen Verwaltungsvorschrift werden Staatenlose, die in Deutschland leben, und anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte gleichgestellt. Danach können Vor- und/ oder der Familienname dieser Personen geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.
Eine Namensänderung für Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden oder sich in Deutschland nicht als anerkannte Asylberechtigte oder Flüchtlinge aufhalten, und die sich deshalb an die Behörden ihrer
Heimatländer wenden könnten, ist also nicht möglich.
Die Namensänderung ist eine Ausnahmeregelung, sie soll daher nur gerechtfertigt sein, wenn das schutzwürdige Interesse der beantragenden Person an der Namensänderung größer ist als das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens. Zum Beispiel sind Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt kein ausreichender Grund, denn es sei nicht Aufgabe des Namensrechts, einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung entgegenzusteuern. Fallbeispiele für wichtige Gründe finden sich in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV).
Eine wichtige Regelung ist auch die erleichterte Namensänderung aus Art. 47 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Danach kann eine Person, wenn sie z.B. nach Flüchtlingsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt, im Anschluss an die Einbürgerung ihren Familiennamen ändern, wenn dieser die ausländische Herkunft der namenstragenden Person in besonderem Maße erkennen lässt und die antragstellende Person im Interesse der weiteren Eingliederung Wert auf einen unauffälligeren Familiennamen legt. Es kann hierzu auch eine deutschsprachige Form des bisherigen Vor- und Familiennamens oder, wenn es eine solche Form nicht gibt, sogar ein neuer Name angenommen werden.
Seit November 2016 ist das neue Sexualstrafrecht in Deutschland in Kraft, mit dem das lange geforderte „Nein heißt Nein“ umgesetzt wurde. Mit dem neuen Gesetz ist ein sexueller Übergriff schon dann strafbar, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird. Mit dem neuen Sexualstrafrecht wurden jedoch auch verschärfte Regelungen im Aufenthaltsrecht beschlossen.
Dabei geht es sowohl um das Ausweisungsrecht als auch um die Möglichkeit der Abschiebung. Eine Ausweisung bedeutet, dass eine Person, die einen Aufenthaltstitel in Deutschland hat, dieser entzogen wird. Es bedeutet nicht, dass diese Person auch zwingend abgeschoben werden kann, denn häufig ist dies tatsächlich oder rechtlich nicht möglich. In diesem Fall wird den Personen die Teilhabe in vielen gesellschaftlichen Bereichen, wie etwa die Arbeitserlaubnis, die Teilnahme am Integrationskurs etc. verweigert (siehe Glossar).
Im Aufenthaltsgesetz ist dafür die Formulierung des Ausweisungsinteresses relevant, das in bestimmten Fällen besonders schwer oder
schwer wiegen kann. (§ 54 AufenthaltsG). Bisher wog gem. § 54 Abs. 1 AufenthaltsG das Ausweisungsinteresse besonders schwer und wurde meist bei Personen verhängt, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr verurteilt wurden, wenn sie bei der Tat Gewalt anwandten oder qualifiziert gedroht hatten etc. Künftig wird das Ausweisungsinteresse bei jeder Verurteilung nach § 177 StGB schwer wiegen und demnach eine Ausweisung oder Abschiebung erleichtern. Neben den Ausweisungen sollen Abschiebungen zukünftig auch dann möglich sein, wenn den Personen in ihrem Herkunftsland Gefahren drohen oder sie asylberechtigt sind. Gem. § 60 Abs. AufenthG soll auch dann in diesen Fällen abgeschoben werden können, wenn eine Person wegen einer Straftat nach § 177 StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr verurteilt wurde. Das heißt Personen können vom Flüchtlingsschutz ausgeschlossen werden, sie erhalten keine Flüchtlingszuerkennung. Es muss aber immer noch entweder durch Ausländerbehörde oder BAMF geprüft werden, ob Abschiebehindernisse vorliegen. Droht der Person im Herkunftsland z.B. die Todesstrafe oder menschenrechtswidrige Haft o.ä., kann sie auch weiterhin nicht abgeschoben werden.
Mit dieser Verschärfung erfolgt eine härtere Bestrafung von Täter*innen ohne deutschen Pass, da diese zusätzlich zu ihrer Verurteilung nach dem StGB mit negativen Auswirkungen auf ihren Aufenthaltsstatus rechnen müssen. Zu befürchten sind zudem negative Auswirkungen auf die Anzeigebereitschaft von Betroffenen, die eine*n ihne*n bekannte*n Täter*in ohne deutschen Pass möglicherweise nicht anzeigen, wenn dadurch seine Ausweisung droht.
Außerdem neu eingeführt wurde das Delikt der Straftaten aus einer Gruppe heraus (§184j StGB). Demnach macht sich strafbar, „wer sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt“. Dadurch können Menschen für eine Handlung bestraft werden, die sie selbst weder begangen noch vorhergesehen haben. Diese Norm ist eine politische Reaktion auf die Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16, in deren medialer Aufbereitung der Eindruck erweckt wurde, sexuelle Übergriffe in Deutschland seien hauptsächlich ein Problem nicht-„biodeutscher“ Täter. Es ist zu befürchten, dass die Definition von Gruppenzugehörigkeit sich künftig genau nach diesem Kriterium richtet.
Kirchenasyl bedeutet die vorübergehende Aufnahme von geflüchteten Menschen durch religiöse Gemeinden – zum Teil auch unabhängig vom Glauben der Asylsuchenden. Ziele sind die Abwendung einer Abschiebung in Gefahrensituationen (auch bei sogenannten Dublin-III-Abschiebungen) sowie die Wiederaufnahme oder erneute Prüfung des Asylbegehrens bzw. eine Härtefallprüfung durch die dafür zuständigen staatlichen Behörden.
Die Entscheidung, Kirchenasyl zu gewähren, wird meistens von Gemeindeleitungen bzw. -räten getroffen. Die Gemeinde kann Beratung erhalten von Stellen für Flüchtlingshilfen, Migrationsbeauftragte oder Flüchtlingspfarrämter, die viele Landeskirchen und Bistümer eingerichtet haben. Außerdem können (kirchliche) Beratungsstellen, Migrationsdienste sowie die lokalen Arbeitskreise „Asyl in der Kirche“ die Vorbereitung und Durchführung eines Kirchenasyls unterstützen.
Die Ausländerbehörde bzw. die zuständige Behörde wird über den Entschluss der Gemeinde, Kirchenasyl zu gewähren, von der Gemeinde informiert.
Die asylgewährende Gemeinde stellt einen Raum zum Wohnen, Kochen und mit sanitärer Einrichtung zur Verfügung. Häufig gibt es einen Unterstützer*innen-Kreis, der den Gemeindevorstand und -mitarbeiter*innen sowie die geflüchteten Menschen im Alltag unterstützt (z.B. Vernetzung mit Initiativen vor Ort und Gespräche mit Anwält*innen und Behördenvertreter*innen).
Kirchenasyl wird in den meisten Fällen über Spenden der Gemeinde finanziert. Die Dauer kann von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten variieren.
Bei vielen Kirchenasylen, die nach dem 01. August 2018 ausgesprochen wurden, verlängert das BAMF die Überstellungsfrist in den EUMitgliedstaat von 6 auf 18 Monate.
Die Überstellungsfrist wird demnach auf 18 Monate verlängert, wenn:
Wird ein Dossier zur Vermeidung von Kirchenasyl abgelehnt und danach Kirchenasyl gewährt, wird die Überstellungfrist ebenfalls auf 18 Monate verlängert. Selbst wenn ein Dossier weniger als zwei Wochen plus einen Tag vor Ablauf der Überstellungsfrist beim BAMF eingeht, ist laut Aussage des BAMF eine Bearbeitung nicht mehr möglich, sodass auch hier die Verlängerung erklärt wird:
https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2018/09/BAMF-Merkblatt.pdf
Eine Verlängerung der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren auf 18 Monate ist aber nach der Dublin-III-Verordnung nur möglich, wenn die Person „flüchtig“ ist, also einer Aufforderung, sich zur Abschiebung einzufinden, nicht Folge geleistet hat oder etwa keine polizeilich Anmeldung (mehr) hat und als untergetaucht gilt.
Der Bewertung des BAMF, Personen im Kirchenasyl unter den oben genannten Voraussetzungen als „flüchtig“ zu behandeln und die Überstellungsfrist entsprechend zu verlängern, wird aber von den Verwaltungs- und auch Oberverwaltungsgerichten weitgehend widersprochen. In erster Linie wird von den Gerichten damit argumentiert, dass die Behörden weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert seien, die Überstellung einer Person, die sich im Kirchenasyl befindet, durchzuführen. Der Staat verzichte vielmehr darauf, sein Recht durchzusetzen. Ein Sonderrecht der Kirchen, welches die Behörden daran hindern würde,
eine Überstellung – ggf. durch unmittelbaren Zwang – durchzuführen, gebe es nicht.
In Folge der verschärften Vorgehensweise des BAMF sind die Plätze an Kirchenasyl stark gesunken. Viele Gemeinden sind eingeschüchtert und haben zum Teil Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen. Gemeinden, die weiterhin Geflüchtete im Kirchenasyl aufnehmen, müssen sich nun in der Regel auf 1½ Jahre Unterstützung einstellen. Die Unsicherheit nun auch im Kirchenasyl und die Unklarheit über dessen Dauer führen zudem bei den Geflüchteten zu einer zusätzlichen enormen psychischen Belastung. Rechtsprechung zu diesem Thema findet sich in der Entscheidungsdatenbank von asyl.net mit den Schlagwörtern „Kirchenasyl“ und „Dublinverfahren“.
Auf der Homepage befinden sich u.a. Termine, News, Stellungnahmen, Adressen, Publikationen sowie weiterführende Informationen. Die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche ist der „organisatorische Zusammenschluss der Kirchenasylbewegung in Deutschland. Sie besteht aus den Netzwerken aller Kirchengemeinden, die bereit sind, Flüchtlinge im »Kirchenasyl« vor Abschiebung zu schützen, wenn begründete Zweifel an einer gefahrlosen Rückkehr bestehen“.
http://www.kirchenasyl.de/
im Newsletter der Frauenhauskoordinierung „Schutz vor Gewalt für geflüchtete Frauen“ 1 /2015, Seite 9-10:
https://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/Publikationen/Newsletter/newsletter_FHK_2015-1_web.pdf
https://www.kirchenasyl.de/erfahrungsberichte/
http://www.kirchenasyl.de/aktuelles/
Ein in Deutschland geborenes Kind hat zunächst einmal grundsätzlich die Staatsangehörigkeit seiner Eltern oder eines seiner Elternteile. Sein Aufenthaltsstatus leitet sich ebenfalls vom Aufenthaltsstatus seiner Eltern oder eines Elternteils ab.
Hat ein Elternteil des Kindes die deutsche Staatsangehörigkeit, so ist das Kind durch Geburt ebenfalls deutsch (§ 4 StAG[1]). Dies übrigens auch dann, wenn es nicht in Deutschland geboren wird.
Nach dem jeweiligen Heimatrecht seiner Eltern hat es zusätzlich die Staatsangehörigkeit dieser Staaten, wenn das Staatsangehörigkeitsrecht der Herkunftsstaaten der Eltern vorsieht, dass ein im Ausland geborenes Kind die Staatsangehörigkeit erwirbt. Es besteht für das Kind in diesen Konstellationen keine Entscheidungspflicht, wenn es volljährig wird. Es hat dann unter Umständen eine oder zwei weitere Staatsangehörigkeiten neben der deutschen Staatsangehörigkeit.
Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt nicht miteinander verheiratet, muss der Vater das Kind zunächst als seines anerkennen. Nur dann kann das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit von ihm bekommen.
Für die Vaterschaftsanerkennung ist es in Deutschland nicht zwingend, dass der anerkennende Vater auch der biologische Vater ist. Das Gesetz will explizit auch Verbindungen schützen, in denen ein nicht biologischer Vater Verantwortung für ein Kind übernimmt und es als seines anerkennt.
Ein in Deutschland geborenes Kind erwirbt aber auch ohne einen Elternteil mit deutscher Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn:
Die Jahre des Asylverfahrens sind regelmäßig kein rechtmäßiger Aufenthalt im hier erforderlichen Sinne, sondern nur ein gestatteter Aufenthalt. Sie werden dann nachträglich rechtmäßiger Aufenthalt, wenn das Asylverfahren mit einer positiven Entscheidung endet. Da Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden, auch nicht in den Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis kommen können, können sie die Voraussetzung auch bei jahrelangem Asylverfahren nicht erfüllen.
Haben die Eltern unterschiedliche nicht-deutsche Staatsangehörigkeiten und keiner von beiden lebt ausreichend lange in Deutschland, so hat das Kind die Staatsangehörigkeit der Mutter und, wenn sie mit dem Vater verheiratet ist oder dieser das Kind als seines anerkennt, auch die Staatsangehörigkeit des Vaters. Hier sind die gesetzlichen Regelungen der Länder, um deren Staatsangehörigkeit es geht, zu beachten.
Probleme liegen oftmals darin begründet, dass die Eltern ihre Staatsangehörigkeit nicht durch die Vorlage gültiger Pässe nachweisen können. So lange kann dann auch keine Staatsangehörigkeit festgestellt werden.
Im Folgenden wird jeweils davon ausgegangen, dass die ratsuchende Frau über (noch) keinen sicheren Aufenthalt verfügt. Verfügen hingegen die Frauen bzw. Mütter über einen sicheren Aufenthaltsstatus oder sogar die deutsche Staatsangehörigkeit, kann es für die Väter, die wiederum ihren Aufenthalt über die Kinder ableiten, zu leicht abweichenden Folgen kommen. Hier kommt es in besonderem Maße auf den Umgang des Vaters mit dem Kind an.
Folgende Familienkonstellationen sind denkbar:
[1] Staatsangehörigkeitsgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/rustag/
Wenn der Vater mit deutscher Staatsangehörigkeit mit der Mutter nicht verheiratet ist, muss er zunächst die Vaterschaft für das Kind anerkennen. Nach dem Staatsangehörigkeitsrecht wird das Kind durch die Anerkennung ebenfalls deutsch, §§ 3, 4 StAG.
Wie bei bi-nationalen Ehen wird auch bei der Anerkennung der Vaterschaft immer wieder unterstellt, die Vaterschaftsanerkennung sei nur erfolgt, um damit der nicht-deutschen Mutter einen Aufenthalt zu sichern.
Eine relativ neue gesetzliche Regelung bestimmt deshalb: Notar_innen oder die beurkundende Behörde, insbesondere das Jugendamt dürfen bei „konkreten Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung“ diese nicht beurkunden, § 1597a BGB:
„Missbräuchlich“ soll die Vaterschaftsanerkennung dann sein, wenn sie gezielt gerade zu dem Zweck erfolgt, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, oder allein dazu dient, dem Kind die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen. Das Gesetz enthält fünf Regelbeispiele, bei denen konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne anzunehmen sein sollen: u.a. dann, wenn eine vollziehbare Ausreisepflicht besteht oder der Anerkennende oder die Mutter oder das Kind einen Asylantrag gestellt haben und die Staatsangehörigkeit eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes besitzt. Liegen Anhaltspunkte vor, müssen Notar_innen, das Jugendamt oder das Standesamt den „Fall“ zur Prüfung der Ausländerbehörde melden.
Die Ausländerbehörde prüft dann, ob tatsächlich eine „missbräuchliche“ Vaterschaftsanerkennung vorliegt. In der Regel wird sie dazu die Eltern persönlich anhören. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Vaterschaftsanerkennung nicht „missbräuchlich“ erfolgte, wird die Vaterschaft beurkundet. Die ausländische Mutter und das Kind erhalten, wenn sie nicht anderweitig über einen Aufenthalt verfügen, eine Duldung bis zum Abschluss der Überprüfung (§ 60a Absatz 2 Satz 13 AufenthG[2]).
Besitzt der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit, erwirbt das Kind ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Mutter des Kindes erhält dann bis zur Volljährigkeit des Kindes eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Absatz 1 Nr. 3 AufenthG.
[2] Aufenthaltsgesetz; Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet: https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/
Ein Kind erwirbt auch dann mit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn sich eines seiner Elternteile seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, da dies für eine erfolgreiche Integration steht.
In der Folge erhält die Mutter nach erfolgter Vaterschaftsanerkennung eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Absatz 1 Nr. 3 AufenthG.
Das Kind erwirbt NICHT die deutsche Staatsangehörigkeit bei Geburt, sondern die Staatsangehörigkeit seiner Eltern, wenn:
Hier steht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Ausländerbehörde.
Dem hier geborenen Kind kann zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG erteilt werden. Grundsätzlich hängt aber in allen Familienkonstellationen, in denen nicht ein Familienmitglied deutsch ist oder die Staatsangehörigkeit eines EU- Staates hat, der Aufenthalt von Kind und Mutter davon ab, ob der Lebensunterhalt gesichert ist. Ist die Familie auf öffentliche Leistungen angewiesen, wenn auch nur zum Teil, wird den Eltern entgegnet, dass sie als Familie auch im Herkunftsland leben können.
Manchmal gibt es so genannte Patchwork-Konstellationen: Der Vater hat z.B. ein weiteres Kind aus einer anderen Beziehung, mit dem er Umgang pflegt oder das die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Dann erhält er hierüber eine Bleibeberechtigung und eine Aufenthaltserlaubnis. Da aber auch die Vater-Kind-Beziehung mit dem zweiten Kind grundrechtlich geschützt ist, erhalten in bestimmten Konstellationen Kind und Mutter so ebenfalls einen Aufenthalt. Aber die Rechtsprechung ist hier zum Teil deutlich restriktiver geworden. So hat z.B. das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg bereits entschieden, dass gegebenenfalls auch dem deutschen Kind ein Umzug ins Herkunftsland zuzumuten ist, wenn anders die Familie nicht herzustellen ist.
Unterfall: Der Vater ist allein sorgeberechtigt
Dem im Bundesgebiet geborenen Kind, das nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat, wird von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, § 33 Satz 2 AufenthG, nur wenn:
Die Mutter des Kindes erhält eine Duldung und es kann ihr unter Umständen auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG erteilt werden, wenn:
Der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK begründet allein kein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot und Ausreisehindernis, sondern nur dann, wenn die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft in zumutbarer Weise ausschließlich im Bundesgebiet und nicht im gemeinsamen Heimatstaat oder einem der Heimatstaaten der Familienangehörigen gelebt werden kann und zudem keine übergeordneten öffentlichen Interessen eine Ausreise bzw. Abschiebung dennoch gebieten. Allein der Umstand, dass ein Familienangehöriger eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis besitzt, steht einer (gemeinsamen) Ausreise nicht entgegen und begründet auch kein Abschiebungsverbot (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 – BVerwG 1 C 3.08 -). Bei der Prüfung des Einzelfalls sind jedoch die erfolgte Integration der von einer etwaigen Trennung betroffenen (insbesondere minderjährigen) Familienangehörigen sowie die Zumutbarkeit des (gemeinsamen) Verlassens des Bundesgebiets hinsichtlich der betroffenen Familienangehörigen zu prüfen, wobei Verwurzelung im Bundesgebiet mit der Entwurzelung vom Herkunftsstaat abzuwägen ist.
Besitzen ausländische Familienangehörige unterschiedliche Staatsangehörigkeiten, müssen sie darlegen, dass eine gemeinsame Einreise in einen der Heimatstaaten nicht möglich ist. Ggf. müssen die Betroffenen bei ihren konsularischen Vertretungen klären, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen und zu welcher Zeit es ihnen möglich ist, die familiäre Lebensgemeinschaft in einem der Heimatstaaten zu leben (VGBerlin, Beschluss vom 17.04.2008 - VG 24 A 80.08 -).
Wenn einer der Heimatstaaten die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet hat, ist in der Regel ohne Weiteres davon auszugehen, dass dort Art. 8 EMRK ebenfalls beachtet wird und ein Familiennachzug auch in diesen Staat möglich sein wird.
Im Ergebnis kann von einem ausländischen Familienangehörigen eines ausreisepflichtigen Ausländers grundsätzlich verlangt werden, mit diesem in das gemeinsame Heimatland oder einen der Heimatstaaten auszureisen, um dort die familiäre Lebensgemeinschaft zu führen oder fortzusetzen. Für die Annahme einer Unzumutbarkeit kommt es auf objektive Umstände und nicht auf eine - ihrem Wesen nach einer Überprüfung nicht zugängliche - entgegenstehende innere Einstellung des Familienangehörigen an (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2008 - OVG 3 S 44.08 -; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.05.2011 - OVG 3 S 37.11- für den ebenso zu beurteilenden Fall zusammen lebender Eltern, in dem ein erlaubt aufhältiger Elternteil ankündigt, auch bei Ausreise des anderen ausreisepflichtigen Elternteils, mit den gemeinsamen Kindern dauerhaft im Bundesgebiet zu verbleiben).
Auch in diesem Falle muss der nicht mit der Mutter verheiratete Vater das Kind als seines anerkennen und bei Zweifeln gilt das oben unter 11.1. Dargelegte (Prüfung der Anerkennung der Vaterschaft).
Das Kind hat nach der Vaterschaftsanerkennung seine und/oder die Staatsangehörigkeit der Mutter.
Das Kind erhält bei entsprechendem Antrag ebenfalls den Flüchtlingsschutz über den Weg des internationalen Schutzes für Familienangehörige, § 26 Absatz 2 AsylG.
Der Gedanke dabei ist, dass Familienangehörige in die Verfolgungsgefahr des Flüchtlings und damit auch in den Schutz mit hineingenommen werden.
Das Kind muss aber nicht zwingend diesen Weg gehen und im Wege des Familienflüchtlingsschutzes– abgeleitet vom Vater – als Flüchtling anerkannt werden. Es kann als Kind eines anerkannten Flüchtlings eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG erhalten.
Die Mutter, deren Aufenthalt bisher nicht abgesichert war, kann über den Aufenthalt ihres Kindes eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Absatz 2 AufenthG oder § 25 Absatz 5 AufenthG erhalten.
Wenn der Vater Staatsangehöriger eines anderen europäischen Staates ist und das Kind anerkennt, erhält das Kind ebenfalls diese europäische Staatsangehörigkeit.
Die Mutter des Kindes kann dann hierüber ebenfalls ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige eines EU-Bürgers erhalten. In diesem Fall gilt für sie in erster Linie das Freizügigkeitsrecht und nicht das deutsche Aufenthaltsgesetz. Sie erhält auch keine Aufenthaltserlaubnis, sondern eine Aufenthaltskarte EU. Das EU-Recht ist großzügiger ausgestaltet als das deutsche Aufenthaltsrecht.
Schwierig kann es hier werden, wenn der Vater Mutter und Kind verlässt und z.B. aus Deutschland weggeht. Dann hat das Kind zwar immer noch eine europäische Staatsangehörigkeit z.B. die französische und darf sich aufgrund dessen in Deutschland aufhalten. Das Kind müsste dann aber eigentlich über ausreichende Existenzmittel für sich und seine Mutter verfügen. Hierzu gibt es aber unterschiedliche Entscheidungen unterschiedlicher Gerichte und es muss für den Einzelfall geklärt werden.
Befinden sich beide Eltern im Asylverfahren, so verlangt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass auch für das hier geborene Kind ein Asylverfahren eingeleitet wird. Wenn die Eltern dies nicht machen, wird das Verfahren vom Bundesamt eingeleitet. Die Eltern erhalten eine Mitteilung darüber und werden gefragt, ob sie das Asylverfahren durchführen wollen und welche Asylgründe sie für ihr Kind geltend machen.
Wenn die Eltern das Verfahren betreiben, bekommt das Kind genau wie sie eine Aufenthaltsgestattung für die Dauer des Asylverfahrens. Wenn die Eltern auf die Durchführung des Verfahrens verzichten, bekommt das Kind lediglich eine Duldung, bis über den Ausgang des Asylverfahrens der Eltern entschieden ist.
Je nach dem Ausgang der Asylverfahren der Eltern bzw. des Vaters gilt im Anschluss das oben Dargelegte.
In diesem Fall kann der Vater dem Kind keinerlei rechtmäßiges Aufenthaltsrecht in Deutschland vermitteln, da er selber über kein Aufenthaltsrecht verfügt und zur Ausreise verpflichtet ist.
Hier hängt es oftmals davon ab, warum der Vater zwar zur Ausreise verpflichtet ist, aber dennoch nicht ausreist und möglicherweise auch nicht abgeschoben werden kann.
Es kann aus verschiedenen Gründen nicht möglich sein, den Vater zur Ausreise zu zwingen, bzw. ihn abzuschieben, etwa:
Ist ein Ende dieser Situation nicht absehbar, kommt sowohl für den Vater als auch für das Kind und infolgedessen auch für die Mutter ein Aufenthalt nach § 25 Absatz 5 AufenthG in Betracht, der erteilt werden kann, wenn eine Person, aus Gründen die die Person nicht selber zu vertreten hat seit 18 Monaten eine Duldung erhält. Die Ausländerbehörden haben hier aber ein eigenes Ermessen und wenden dies sehr restriktiv an. Überdies sind diese Fälle eher selten.
Hat der Vater sein Abschiebehindernis selber (mit)verursacht, weil er etwa nicht bei der Beschaffung eines Passes mitwirkt, ist sein geduldeter Status sozusagen von ihm selbst herbeigeführt und er soll davon nicht profitieren. Hier folgen oftmals Sanktionen, wie ein Arbeitsverbot und die Verhängung der Residenzpflicht. Da der Vater keine Aufenthaltserlaubnis erhält, wird auch das Kind nur geduldet werden.
Häufig kommen die Eltern des hier geborenen Kindes aus unterschiedlichen Ländern. Zusätzlich ist es oftmals schwierig bis unmöglich Geburtsurkunden für die in Deutschland geborenen Kindern zu erhalten und deren Staatsangehörigkeit zu klären, wenn auch die Eltern nicht über ausreichend Papiere verfügen. Mangels erforderlicher Dokumente und wegen des Schutzes der Familie können diese Familien nicht in eines der Herkunftsländer abgeschoben werden. Die Behörden fordern zwar von den Betroffenen, dass sie sich um die Einreisemöglichkeiten für ihre Partner und Kinder kümmern, aber dies ist oft fast unmöglich. So kommt es doch immer wieder vor, dass solche bi-nationalen Familien in Deutschland verbleiben. Weder den Eltern noch den Kindern wird aber ein Aufenthaltsrecht erteilt. Sie bleiben zum Teil jahrelang im Status der Duldung, mit all den Einschränkungen an Rechten, die dies bedeutet.
Wenn der Vater sich weigert, die Vaterschaft für das Kind anzuerkennen, kann die Mutter beim Familiengericht einen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft stellen. Wenn sich, wie in der Konstellation wahrscheinlich, der Vater nicht für sein Kind interessiert und keinerlei Kontakt und Umgang hat, wird das Familiengericht ein Abstammungsgutachten (Vaterschaftstest) in Auftrag geben.
Wenn damit die Vaterschaft festgestellt wird, kommt es für den Verbleib von Mutter und Kind in Deutschland auf die Staatsangehörigkeit des Mannes an. Hat der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit, erwirbt auch das Kind mit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit. Dann erhält wiederum die Mutter bis zur Volljährigkeit des Kindes ein Aufenthaltsrecht (siehe oben). Ist der Vater nicht deutscher Staatsangehöriger und hat und will auch keinerlei Kontakt zum Kind, ist es für Kind und Mutter sehr schwer auf Dauer über diesen Weg ein Aufenthaltsrecht zu erhalten.
Ist der Vater unbekannt, können daraus keine Rechte abgeleitet werden. Das Kind erhält die Staatsangehörigkeit der Mutter und auch sein Aufenthalt hängt von dem Aufenthalt der Mutter ab.
Weitere Infos zu Fällen von sexualisierter Gewalt und evtl. Auswirkungen auf den Aufenthaltstitel
Wenn die Mutter einen Aufenthalt über das Kind erhält, weil dieses mit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, ist damit auch der Aufenthalt möglicher Geschwister gesichert: Mit den oben bereits erwähnten Einschränkungen der Rechtsprechung verankert die deutsche Staatsangehörigkeit eines Familienmitglieds die gesamte Familie in Deutschland.
Die rechtlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Asylverfahren sind sehr hoch. Für Geflüchtete aus Ländern, in denen vom Bundesamt und auch von den Gerichten nur in sehr seltenen Fällen eine individuelle Verfolgung angenommen wird, ist es daher wichtig, nicht allein auf den Ausgang des Asylverfahrens zu warten, sondern sich mit alternativen Wegen zu einem legalem Aufenthalt zu befassen. Dies gilt auch in Fällen, in denen von Behördenseite davon ausgegangen wird, dass die Person im eigenen Land Schutz vor der Verfolgung hätte finden können.
Bis vor kurzem war es gesetzlich nicht geregelt und politisch auch nicht gewollt, aus dem Status der Duldung wieder in einen legalen Aufenthalt zu gelangen – es sei denn, die Person erwarb zum Beispiel durch Geburt eines deutschen/ europäischen Kindes oder durch die Ehe mit einer deutschen/europäischen Person einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (siehe 11.). Selbst in den Fällen einer deutschen Ehe oder der Geburt eines deutschen Kindes verlangen die Ausländerbehörden in der Regel die Ausreise ins Herkunftsland und die Durchführung des regulären Verfahrens auf Familienzusammenführung.
Dies bedeutet, dass es Menschen gibt, die zum Teil viele Jahre im Besitz einer Duldung sind, obwohl es sich bei dieser eigentlich nur um eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung handeln soll(te).
Seit einiger Zeit gibt es Möglichkeiten, die insbesondere aus Interessen von Arbeitgeber*innen und der Wirtschaft durchgesetzt wurden. Personen, die lange in Deutschland leben und geduldet werden, können durch Arbeit oder eine Ausbildung in einen legalen Aufenthalt gelangen.
Bereits seit August 2015 haben ausreisepflichtige Personen ohne deutschen Pass, die eine Ausbildung beginnen, altersunabhängig unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Duldung für die gesamte Dauer einer qualifizierten Ausbildung. Seit dem 01.01.2020 ist die Ausbildungsduldung im neuen § 60c AufenthG geregelt.
Voraussetzung ist der Beginn oder das Bevorstehen einer qualifizierten Ausbildung, d.h. einer betrieblichen oder schulischen Berufsausbildung, die zu einem staatlich anerkannten oder vergleichbaren Abschluss führt und regulär zwei Jahren dauert. Zulässig sind aber auch kürzere Assistenz- oder Helfer*innenausbildungen in „Mangelberufen“ (z.B. Pflegeassistenz), wenn im direkten Anschluss eine qualifizierte Ausbildung zugesichert ist.
Die Ausbildungsduldung kommt zum einen in Betracht für Personen, die zum Zeitpunkt der Ausbildungsaufnahme seit mindestens drei Monaten in Besitz einer Duldung sind. Zum anderen für Personen, die während des Asylverfahrens eine Ausbildung aufgenommen haben und diese nach Ablehnung des Asylantrags weiterführen möchten, wenn sie selbst als Person und auch die begonnene Ausbildung die Voraussetzungen für die Ausbildungsduldung erfüllen.
Ausgeschlossen ist die Erteilung, wenn ein Arbeitsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG besteht oder wenn die Person wegen einer Vorsatztat strafrechtlich verurteilt wurde sowie für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten.
Ein Anspruch auf die Ausbildungsduldung besteht zudem nur, wenn die Identität rechtzeitig geklärt wurde oder die Person zumindest rechtzeitig an der Identitätsklärung mitgewirkt hat. Wenn trotz nachweislicher Mitwirkung die Identität nicht geklärt werden konnte, steht die Duldungserteilung im Ermessen der Behörde.
Eine erteilte Ausbildungsduldung kann nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung um weitere sechs Monate zur Suche nach einer entsprechenden Stelle verlängert werden. Wenn sich eine Arbeit in dem Ausbildungsberuf anschließt, kann hierüber letztendlich ein legaler Aufenthalt erwirkt werden.
Neu eingeführt und mit Wirkung seit dem 01.01.2020 ist in § 60d AufenthG die Beschäftigungsduldung. Damit soll bestimmten Geduldeten ein rechtssicherer Aufenthalt ermöglicht und eine Bleibeperspektive
aufgezeigt werden. Es handelt sich um eine Stichtagregelung, d.h. sie steht nur Personen offen, die vor dem 01.08.2018 in die Bundesrepublik eingereist sind.
Die hohen Voraussetzungen sind jedoch nur für eine sehr begrenzte Zahl an Geflüchteten und Geduldeten erfüllbar:
Trotz der hohen Anforderungen ermöglichen die neu geschaffenen Regelungen Übergänge in einen legalen Aufenthalt, wie er auch in den §25a und § 25b Aufenthaltsgesetz angedacht ist. Für Personen, die um Asyl bzw. internationalen Schutz nachsuchen, ist es sinnvoll, diese Möglichkeiten von Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland an mitzudenken.
Für diejenigen ausreisepflichtigen Personen, die sich aus Sicht der Ausländerbehörde nicht genug um die Klärung ihrer Identität und/oder um die Beschaffung eines Passes kümmern, wurde allerdings verschärfend die „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60 b Aufenthaltsgesetz) eingeführt. D.h., eine Person, die nach einem abgeschlossenen Asylverfahren oder anderweitig ausreisepflichtig nicht aktiv an ihrer eigenen Abschiebung mitwirkt, erhält diese Duldung, die mit einschneidenden Verschlechterungen verbunden ist. Mit dieser Duldung besteht ein Arbeitsverbot, es gilt eine Wohnsitzauflage, die Leistungen werden gekürzt und es können Abschiebehaft, Mitwirkungshaft und Ausreisegewahrsam angeordnet werden.
Für eine aufenthaltsrechtliche Perspektive gravierend ist zudem, dass die Zeiten, in denen eine Person im Besitz dieser Duldung ist, nicht auf die zeitlichen Voraussetzungen der Bleiberechte nach §§ 25a und 25b AufenthG angerechnet werden.
Wird im weiteren Verlauf die unterbliebene Mitwirkungshandlung nachgeholt, soll anstelle der Duldung „zweiter Klasse“ wieder eine reguläre Duldung ausgestellt werden.
Zumutbar und deshalb verpflichtend für die Betroffenen soll es nicht nur sein, den Pass selber zu beantragen, sondern auch ergänzende Dokumente bei der Botschaft oder den Behörden des Herkunftsstaates zu beantragen und die hierfür anfallenden Gebühren zu zahlen. Außerdem soll auch die Teilnahme an Sammelanhörungen bei der Botschaft oder einer Delegation des Herkunftsstaats zumutbar sein, wie auch die Abgabe einer Erklärung gegenüber dem Herkunftsstaat, dass man bereit sei, „freiwillig“ zurückzukehren und ggf. auch den Wehrdienst nachzuholen.
Die meisten dieser Anforderungen sind nicht neu, sie werden in verschiedener Ausprägung von den Ausländerbehörden seit Jahren erhoben. Jetzt sind sie jedoch Gesetz geworden und die Verletzung der Passbeschaffungspflicht führt unmittelbar in eine Duldung zweiter Klasse.
Wichtig in dem Zusammenhang ist, dass die Passbeschaffung bzw. Identitätsklärung auch für die Beantragung einer Ausbildungsduldung bzw. der neu geschaffenen Beschäftigungsduldung eine größere Rolle spielt. Für Menschen, die ab 2020 nach Deutschland kommen, soll eine Ausbildungsduldung nur noch möglich sein, wenn sie spätestens sechs Monate nach Einreise ihre Identität zweifelsfrei belegt haben.
Beachte: Während des laufenden Asylerstverfahrens, sofern dieses nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, besteht KEINE Pflicht zur Passbeschaffung oder Mitwirkung daran. Hier ist Vorsicht geboten, weil die Ausländerbehörden dies manchmal aus Unwissenheit oder Böswilligkeit verlangen (siehe weiter oben).
Istanbul-Konvention ist der Name des „Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, welches seit August 2014 in Kraft ist. Das Übereinkommen schreibt vor, dass die Gleichstellung der Geschlechter in den Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten verankert sein muss und sämtliche diskriminierende Vorschriften abzuschaffen sind. Damit entsteht eine Verpflichtung staatlicher Stellen, entsprechende Maßnahmen z.B. in den Bereichen Prävention, Schutz und Sanktion zu treffen. Die Istanbul-Konvention ist seit 2018 geltendes Recht in Deutschland.
Für den Bereich des Flüchtlingsrechts relevant sind die Artikel 60 und 61 der Konvention, die das Verbot der Zurückweisung Schutzsuchender formulieren (61) und festgelegen, dass in den Vertragsstaaten Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts als Asylgrund bzw. Grund für die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gilt (60).
In den Asylverfahren wird geschlechtsspezifische Gewalt meist (noch) dem Flüchtlingskonventions-Merkmal „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ zugordnet. So heißt es in § 3 b Nr. 4 2. Halbsatz AsylG, „(...) eine Verfolgung wegen einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft“. Entsprechend wird geschlechtsspezifische Verfolgung wie sexualisierte Gewalt, Beschneidungen, oder auch Bestrafung wegen Verstoß gegen Kleiderordnungen u.a. unter dieses Merkmal subsumiert. Das engt jedoch die Wahrnehmung von Verfolgung ein und versperrt gelegentlich bei Frauen den Blick auf die anderen Verfolgungsmerkmale (wie beispielsweise politische Überzeugung, Religion o.ä.). Dagegen fordert die Istanbul-Konvention richtigerweise eine geschlechtersensible Interpretation auch der anderen Verfolgungsgründe wie eben politische Überzeugung, Religion, Nationalität und Rassismus. Denn Angriffe gegen das „Geschlecht“ sind als Sexismus und Frauenverachtung jedem anderen Verfolgungsmerkmal inhärent.
Die Stärke der Konvention liegt in diesem Regelungsbereich derzeit darin, dass auch Gewalt in Partnerschaften explizit als geschlechtsspezifische, flüchtlingsrelevante Verfolgung wahrgenommen wird. Bei fehlenden staatlichen Schutzvorkehrungen würde dies in der Praxis einen Anspruch auf Gewährung von Schutz im Falle erlittener Gewalt in Partnerschaften bedeuten.
Die Vorgaben der Konvention an die Führung des Asylverfahrens sind in Deutschland zumindest theoretisch dadurch umgesetzt, dass das Bundesamt in Fällen von Gewalt die Befragung durch Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Gewalt durchführen lässt und ein Anspruch auf eine weibliche Anhörer*in und auch eine weibliche Sprachmittler*in besteht.
Aufenthaltsrechtlich stellen zudem die Regelungen des Art. 59 Abs. 1 bis Abs. 3 der Konvention verbindliche Regelungen auf, jedoch hat die Bundesrepublik gegenüber den Regelungen des Abs. 2 und Abs. 3 von Art. 59 einen Vorbehalt erklärt, so dass diese Regelungen derzeit nicht bindend sind.
Art. 59 Abs. 1 der Konvention sieht im Falle von Gewalt in der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der von Gewalt betroffenen Personen vor, unabhängig von der Dauer der Ehe. Im deutschen Recht ist hingegen eine Ehebestandszeit von drei Jahren vorgesehen, bei kürzeren Ehen muss eine ganz besondere Härte vorgetragen werden.
In Abs. 2 des Art. 59 der Konvention ist geregelt, dass auch Personen, deren Aufenthalt an dem ihrer Partner*in hängt, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten, falls Letztere (wegen einer Straftat) ausgewiesen werden. Hier gibt es im deutschen Recht keine auch nur annähernd vergleichbare Regelung. Die Bundesregierung stellt sich mit ihrem Vorbehalt gegen den von der Konvention geforderten Schutz für Frauen in dieser Situation.
In Art. 59 Abs. 3 der Konvention ist eine Aufenthaltserlaubnis für von Gewalt betroffene Frauen vorgesehen, die als Zeug*innen in einem entsprechendem Strafverfahren aussagen sollen. Hier hat sich die Rechtslage trotz erklärtem Vorbehalt für Frauen verbessert. Durch den neu eingefügten Abs. 4a in §25 AufenthG soll in diesen Fällen nun eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Anwesenheit im
Bundesgebiet für das Strafverfahren für sachgerecht erachtet wird, die Person jede Verbindung zu den beschuldigten Personen abgebrochen hat und sie ihre Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren als Zeug*in auszusagen.
Auch nach Beendigung des Strafverfahrens soll nun nach Satz 3 des § 25 Abs. 4a AufenthG die so erteilte Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit der Person im Bundesgebiet erfordern.
Hier wurde der Erfahrung Rechnung getragen, dass viele von Gewalt oder Menschenhandel betroffenen Frauen einen illegalisierten Status in Deutschland vorziehen, wenn ihnen im Zusammenhang mit einer Aussage vor Gericht jegliche Möglichkeit eines verlängerbaren Aufenthalts verwehrt bleibt. Sie wählen diesen Option, statt nach Ablauf eines Strafverfahrens in ihre jeweiligen Herkunftsländer zurückkehren zu müssen.
Autorinnen:
Barbara Wessel
Dorothee Frings, Tabelle: „Finanzierung des Frauenhausaufenthalts für geflüchtete Frauen“
Redaktion:
Ausgabe 3: Elisabeth Oberthür, Frauenhauskoordinierung e.V., und Katharina Göpner, bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe - Frauen gegen Gewalt e.V.
Ausgabe 2: Gloria Goldner und Tatjana Leinweber, Frauenhauskoordinierung e.V.
Ausgabe 1: Anita Eckhardt und Katharina Göpner, bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe - Frauen gegen Gewalt e.V.