Berlin, 07. Mai 2025. Trotz Reformbestrebungen im Familienrecht erleben gewaltbetroffene Frauen weiterhin, dass sie im Namen des Umgangsrechts Kontakt zu Tätern halten müssen – mit gravierenden Folgen für ihre Sicherheit und die ihrer Kinder.
Die aktuellsten Reformvorhaben im Kindschaftsrecht haben das Thema häusliche Gewalt erstmals explizit aufgegriffen. Die Reformvorhaben sind jedoch dem Ende der Ampel-Koalition zum Opfer gefallen, dadurch bleibt der Schutz von Frauen und Kindern unzureichend: Gerichte und Jugendämter verfolgen weiterhin das Leitbild der gemeinsamen elterlichen Sorge und fördern Einigungsprozesse – selbst dort, wo Gewalt dokumentiert ist.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass Mütter nach Trennungen gezwungen werden, den regelmäßigen Kontakt zu gewalttätigen Vätern aufrechtzuerhalten. Der Schutz vor Gewalt muss endlich Vorrang bekommen“, betont Sibylle Schreiber, Geschäftsführerin von FHK.
Eine im November 2024 veröffentlichte Analyse von 154 familiengerichtlichen Fällen zeigt: In 19 der untersuchten Fälle wurden Mütter und Kinder im Zusammenhang mit Sorge- und Umgangsrechtsverfahren getötet – beispielsweise wurden Mütter und Kinder bei Umgangsterminen getötet oder die Täter töteten ihre Ex-Partnerin oder ihre Kinder aus Rache darüber, dass es ein sorgerechtliches Verfahren geben würde.
In der überwältigenden Mehrheit der Fälle werden Narrative wie „Eltern-Kind-Entfremdung“ oder vermeintliche „psychische Störungen der Mutter“ genutzt, um Müttern das Sorgerecht zu entziehen oder Umgänge unter Zwang durchzusetzen.
„Innerfamiliäre Gewalt wird in familiengerichtlichen Verfahren zu selten berücksichtigt. Familiengerichte müssen Maßnahmen ergreifen, die die Sicherheit der gewaltbetroffenen Mütter und der Kinder nicht gefährden, davon sind wir in der Praxis jedoch weit entfernt“, erläutert Stefanie Leich, Vorstandsvorsitzende von FHK.
Die bisherigen Reforminitiativen im Familienrecht gingen aus Sicht von FHK nicht weit genug. Es fehlte eine klare gesetzliche Regelung, die bei häuslicher Gewalt oder Gewalt in der Partnerschaft das Sorgerecht konsequent entzieht und Umgänge aussetzt. Täterprogramme wurden bisher nicht verpflichtend vorgeschrieben, und die Sensibilisierung der beteiligten Professionen blieb weiterhin lückenhaft.
„Solange Gerichte und Jugendämter auf Einigung und Mediation drängen, statt Gewalt als Ausschlusskriterium für das Sorge- und Umgangsrecht zu begreifen, bleiben Mütter und Kinder schutzlos. Wir fordern: Gewaltschutz muss vor Elternrecht stehen“, so Sibylle Schreiber.
Stefanie Leich ergänzt:
„Die erschütternden Zahlen und Fallanalysen zeigen, dass das System derzeit gravierend versagt. Es braucht eine grundlegende Wende: Der Schutz von Müttern und Kindern darf nicht länger dem Ideal eines zwingenden gemeinsamen Sorge- und Umgangsrecht geopfert werden. Die neue Regierungskoalition muss jetzt entschieden handeln.“
FHK fordert:
- Klare gesetzliche Vorgaben: Bei Gewalt in der Partnerschaft muss das Sorgerecht des gewaltausübenden Elternteils entzogen und der Umgang ausgesetzt werden können.
- Verpflichtende Täterarbeit: Kontakt zu Kindern darf nur nach erfolgreicher Teilnahme an anerkannten Täterprogrammen ermöglicht werden.
- Verbindliche Fortbildungen: Familiengerichte, Jugendämter und Verfahrensbeteiligte müssen verpflichtend zu Gewaltformen und -dynamiken bei häuslicher Gewalt geschult werden.
- Kinderschutz und Frauenschutz zusammendenken: Die Istanbul-Konvention muss in allen familienrechtlichen Verfahren berücksichtigt und umgesetzt werden.