Alternativbericht zur Istanbul-Konvention 2025: Deutschland wird seinen Verpflichtungen nicht gerecht

Sieben Jahre Istanbul-Konvention – und noch immer massive Lücken: Neuer Alternativbericht zeigt, wo Deutschland nachbessern muss.

Hand hält die Titelseite des Alternativberichts 2025 zur Istanbul-Konvention des Bündnis Istanbul-Konvention violettem Hintergrund

Das Bündnis Istanbul-Konvention (BIK), dem auch Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) angehört, hat am 19. November 2025 seinen zweiten Alternativbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland veröffentlicht. 

Die Bilanz ist ernüchternd: Sieben Jahre nach Inkrafttreten der Konvention wird Deutschland seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt nicht gerecht.​

Gewalt steigt, Schutzlücken bleiben

Während die Gewalt gegen Frauen, Mädchen und TIN*-Personen in Deutschland weiter zunimmt, bleibt die Umsetzung der Istanbul-Konvention fragmentiert und unverbindlich. Der in einem fast einjährigen partizipativen Prozess unter Einbezug von Fachstellen, Selbstorganisationen und Betroffenenperspektiven erarbeitete Bericht wird GREVIO, dem unabhängigen Expert*innengremium des Europarats, vorgelegt.​

Bereits 2022 hatte GREVIO erhebliche Mängel aufgezeigt – die zentralen Probleme bestehen jedoch weiterhin.​

Zentrale Kritikpunkte

Fehlende Intersektionalität: Die Gewaltschutzstrategie der Bundesregierung erwähnt zwar intersektionale Perspektiven, wendet sie aber nicht grundlegend als Konzept an. Vulnerable Gruppen – darunter Frauen mit Behinderungen, Geflüchtete, wohnungs- und obdachlose Frauen, Sintizze und Romnja sowie trans, inter und queere Personen – haben durch institutionelle Hürden, diskriminierende Praktiken und fehlende Ressourcen kaum oder nur sehr erschwerten Zugang zum Hilfesystem.​

Neuausrichtung der Finanzierung: Es braucht einen grundlegenden Paradigmenwechsel von Leuchtturm-, Pilot- und Modellprojekten hin zu flächendeckenden, nachhaltig finanzierten und diskriminierungsfreien Strukturen im Gewaltschutz. Die projektbasierte Finanzierung bindet Kräfte für Antragsverfahren, die dann für die Arbeit mit betroffenen Frauen und Mädchen fehlen.​

Mangelnder Platzausbau: Der dringend notwendige Ausbau der fehlenden Schutzplätze bleibt eine zentrale Herausforderung – seit dem letzten Alternativbericht 2021 hat sich die Zahl der Plätze nicht signifikant verändert.​

Berichterstattungsstelle nicht gesichert: Die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt am Deutschen Institut für Menschenrechte ist entgegen der Forderung der Istanbul-Konvention immer noch nicht dauerhaft abgesichert. „Wenn wir Pech haben, ist sie ab 2027 einfach weg“, warnt Katja Grieger vom bff.​

Sie braucht eine gesetzliche Absicherung, damit sie unabhängig arbeiten und somit langfristig Teil des Schutzsystems in Deutschland wird. 

Zehn Forderungen

Der Alternativbericht formuliert zehn zentrale To-dos für eine wirksame Umsetzung der Konvention:​

  1. Verbindliche Gesamtstrategie mit intersektionaler Ausrichtung und Gültigkeit über Legislaturperioden hinweg

  2. Paradigmenwechsel zur strukturellen Finanzierung statt kurzfristiger Modellprojekte

  3. Gesetzliche Verankerung des Monitorings und verpflichtende Datenerhebung in allen Bereichen

  4. Diskriminierungs- und barrierefreier Zugang zum Hilfesystem für alle Frauen, Mädchen und TIN*-Personen

  5. Gewaltschutz vor Umgangsrecht – Einführung einer widerlegbaren Regelvermutung bei häuslicher Gewalt

  6. Flächendeckende, verpflichtende Fortbildungen für alle relevanten Berufsgruppen

  7. Systematische Intervention im Gesundheitswesen mit Leitlinien und Standards

  8. Abbau struktureller Benachteiligung von gewaltbetroffenen Migrantinnen, u.a. durch Reform des § 31 AufenthG

  9. Bundesweite Gefährdungseinschätzung und interinstitutionelles Fallmanagement mit klaren Standards

  10. Evidenzbasierte Präventionsstrategie mit Schwerpunkt auf Primärprävention

Warnung vor politischem Gegenwind

Das Bündnis warnt eindringlich: Antifeminismus, Rechtspopulismus und Kürzungen im sozialen Bereich gefährden den Schutz von Gewaltbetroffenen. Besonders restriktive migrationspolitische Maßnahmen, wie die geplante Umsetzung der GEAS-Reform, drohen den Zugang zum Hilfesystem für geflüchtete und migrierte Gewaltbetroffene weiter einzuschränken.​


Über das Bündnis Istanbul-Konvention

Das Bündnis Istanbul-Konvention setzt sich aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Expert*innen und Fachverbänden zusammen, die für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt arbeiten und sich für die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland einsetzen.

Zum vollständigen Alternativbericht (PDF-Datei) 


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