Das Gewalthilfegesetz – ein Akt feministischer Interessenvertretung

Das Gewalthilfegesetz regelt bundesweit Schutz und Beratung – und setzt 50 Jahre Engagement nun gesetzlich um.

Gruppe von Menschen steht bei einer Kundgebung im Freien und hält ein großes Banner mit der Aufschrift „Gewalthilfegesetz – Das machen wir JETZT!“. Kleinere Schilder mit Aussagen zu Schutz vor Gewalt und Femiziden sind ebenfalls sichtbar. Das Gebäude im Hintergrund hat eine moderne Glasfassade; die Personen sind wetterfest gekleidett.

Das Gewalthilfegesetz ist Ende Februar 2025 in Kraft getreten. Dieses Gesetz soll dafür sorgen, dass es ausreichend Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer Gewalt gibt und die Einrichtungen ausfinanziert werden. Der Erfolg der Verabschiedung dieses Gesetzes ist nicht zu ermessen, ohne einen Blick zurückzuwerfen: Seit fast 50 Jahren gibt es in Deutschland eine Frauenhausbewegung, zumindest, wenn ihr Start mit der Einweihung des ersten Frauenhauses im November 1976 in Berlin beziffert wird. 

Ihr voraus ging die Devise der aus der 1960er-Student*innenbewegung erwachsenen Aktivistinnen: „Das Private ist politisch.“ Es gründeten sich Fraueninitiativen und -projekte mit dem Ziel, bessere gesellschaftliche Bedingungen für Frauen zu schaffen. Neben Frauengesundheitszentren, -verlagen und -zeitungen wurden auch die ersten Frauenhäuser eröffnet.

Zur Finanzierung der Schutzeinrichtungen wandten sich die Gründer*innen an staatliche Einrichtungen. Als diese daran eine gewisse Kontrolle knüpften, haben die autonomen Frauenhäuser diese „Staatsknete“ abgelehnt. Die dann eingesetzten Sozialleistungen der Bewohner*innen war ein Hilfskonstrukt und machte aus Sicht der Bewegung nicht deutlich, dass Gewalt an Frauen nicht nur ein Problem „sozial schwacher“ Personen war. Mit einer Petition und dem Hinweis auf einen rechtsstaatlichen Schutzanspruch löste der Verband der autonomen Frauenhäuser eine Debatte über die Möglichkeiten einer bundesgesetzlichen Finanzierung aus.

In der Folge gab es einen ersten Gesetzesvorschlag in 1984 von den Grünen, der seitens staatlicher Organe abgelehnt wurde mit dem Argument, dass für ein Bundesgesetz keine Gesetzgebungskompetenz gegeben sei. Auch die Frauenhausbewegung selbst hat das Vorhaben aufgegeben, da die beabsichtigte Finanzierungsform nicht nachhaltig erschien.

Es folgte eine weitere Gesetzesinitiative der SPD sowie mehrere Gutachten zur Machbarkeit einer bundesweiten staatlichen Finanzierung. Die Vorhaben sind jedoch im Keim erstickt und trotz erheblicher Anstrengungen seitens der autonomen Frauenhäuser und inzwischen auch der Wohlfahrtsverbände nicht zu weiteren Entwürfen gebracht worden. 

Die Herausforderung blieb, in einem föderalen Staat mit einem komplexen Sozialrecht und einer starken Frauenbewegung die Finanzierung des Hilfesystems zu regeln. Die Aufnahme in Frauenhäuser scheiterte immer wieder an fehlenden Plätzen oder ungesicherter Finanzierung des Aufenthalts. Ende der 90er-Jahre wollten sich zudem die Frauenorganisationen auch politisch nicht mehr damit abfinden, dass von Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern ihr Zuhause verlassen sollten. Sie starteten mit dem Ausruf „wer schlägt, der geht“ die Initiative zu einem Gewaltschutzgesetz. Dies rettete aber nicht über die Situation hinweg, dass es weiterhin sehr gefährdete Frauen gab, die in einem Frauenhaus geschützt werden mussten.

Die dringliche Versorgung gewaltbetroffener Frauen sorgte als Motor für weitere Bestrebungen, ein Gesetz für eine ausreichende und auskömmliche Finanzierung des Systems auf den Weg zu bringen.

Konkrete Vorschläge einer Organisation, die im Schulterschluss mit Wissenschaft und Praxis veröffentlicht wurden, stießen teils in den eigenen Reihen, insbesondere bei den autonomen Frauenhäusern, als auch in der Politik auf Widerstand. Einerseits sollte die Last der Rechtsdurchsetzung nicht individualisiert werden, andererseits wurde ein zu hohes Finanzvolumen befürchtet.

Die beharrliche Überzeugungsarbeit über eine lange Zeit und viele politische Koalitionen hinweg, der regelmäßige Austausch mit anderen Unterstützungsorganisationen und Verantwortlichen aus Staat und Politik hat das Vorhaben zunehmend salonfähig gemacht.

Hinzu kam die Unterstützung durch Europarecht in Form der Istanbul-Konvention und der jüngsten EU-Richtlinie gegen häusliche Gewalt, die zumindest noch einmal politischen Druck entfaltet haben. Der Austausch mit anderen europäischen Frauenrechtsorganisationen hat Argumentationshilfe und Mut gegeben, an den Forderungen festzuhalten.

Das verheerende „Zeugnis“ von GREVIO über ein unzureichendes Unterstützungssystem hat Politik und Gesetzgebung zusätzlich aufgescheucht.

Endlich wurden Vorschläge und Entwürfe aus Politik und Verwaltung erstellt, aber nur in ausgewählten Kreisen diskutiert. Die Nichtregierungsorganisationen haben sich immer wieder – in unterschiedlichen Zusammensetzungen - getroffen, ausgetauscht, auch über die beste Lösung gestritten und bis zuletzt Hoffnung zugesprochen. Sie sind nicht müde geworden, ihre Beteiligung einzufordern. Genauso haben sie ungefragt ihre Meinung kundgetan. Das heißt übersetzt: deutliche Kritik angebracht und Alternativvorschläge unterbreitet. Einige Stellschrauben sind dadurch noch einmal gedreht worden.

Aufgrund der vorzeitig beendeten Legislaturperiode 2024/2025 begann ein Wettlauf gegen die Zeit. Es wurde klar, dass das Gesetz verabschiedet werden musste, da es sonst für eine lange Zeit nicht mehr durchsetzbar sein würde. Durch vereinte Kräfte der Organisationen – gemeinsame Gespräche bei Politiker*innen, Briefe an Abgeordnete, Demonstrationen mit Übergabe von Petitionen und Unterschriftenlisten, Überzeugungsarbeit bei den Ländervertretungen – konnte in einer der letzten Bundestags- und Bundesratssitzungen die ausreichende Mehrheit zur Verabschiedung des Gesetzes erzielt werden. Dabei war es gut, dass sich die NGOs kannten und bei dem hohen Tempo und Druck schnelle Wege zur Verständigung bereit stellen konnten.

Das Gewalthilfegesetz stellt einen Meilenstein dar, indem es gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern endlich einen Anspruch auf Schutz und Beratung an die Seite stellt. Auch der Ausbau und die Finanzierung des Hilfesystems erhalten nun eine Grundlage. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Umsetzung auf einen langen Zeitraum gestreckt wurde. Die erste Finanzierung seitens des Bundes setzt erst in 2027 ein – begrenzt auf 10 Jahre, der Rechtsanspruch gilt erst ab 2032. 

Die in Aussicht gestellten finanziellen Mittel müssen als nicht ausreichend bezeichnet werden. Bis zum Einsetzen der gesetzlichen Regelungen müssen die gegebenen Verhältnisse weiter überbrückt werden.

 Auch müssen viele Vorgaben des Gesetzes, z.B. Gewaltschutzkonzepte, Ausgangsanalysen und Verordnungen, erst noch mit Leben gefüllt werden. 

Mit Blick auf die nach der Wahl geänderten politischen Verhältnisse und die knappen Haushalte bedeutet es, Bestehendes zu halten und Verbesserungen zu fordern. Auch muss die Zivilgesellschaft bei der Umsetzung des Gesetzes beteiligt werden. Dies ist nicht nur gesetzlich vorgesehen, sondern die Notwendigkeit zeigt sich bereits bei den ersten administrativen Maßnahmen. Oft wissen die zuständigen Stellen bei den Landesverwaltungen nicht genug über die Verhältnisse vor Ort, um dies in die Planung und Förderung einzubeziehen. Dabei wird sich auch zunehmend herausstellen, dass weiterhin eine Finanzierungslücke besteht, gegen die mobilisiert werden muss.

Berichte, Forschungsergebnisse und Erkenntnisse stehen bereit. Es gilt weiter, nicht nur mit klaren Argumenten zu überzeugen, sondern Rechte hier und jetzt einzufordern. 


Dieser Artikel ist ursprünglich auf Englisch im WAVE Fempower Magazin erschienen. 

Zur Autorin: Dorothea Hecht, juristische Referentin bei Frauenhauskoordinierung e.V. 


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