Politikerinnen fordern Unterricht gegen Frauen-Belästigung

Aktualisiert

#textmewhenyougethomePolitikerinnen fordern Unterricht gegen Frauen-Belästigung

Nach dem Tod einer Britin auf dem Nachhauseweg stellt sich die Frage: Wie können Frauen besser geschützt werden? In der Schweiz fordern junge Politikerinnen mehr Prävention bei beiden Geschlechtern – schon im Kindesalter.

Darum gehts

  • Nach dem Tod der Britin Sarah Everard geht der Hashtag «#Textmewhenyougethome» viral.

  • Sicherheitsmassnahmen unter Frauen wie «Schreib mir, wenn du zu Hause bist», Tracking oder Pfefferspray sind ganz normal.

  • Expertinnen und Politikerinnen fordern nun, dass in Prävention und Sensibilisierung investiert wird.

Der gewaltsame Tod von Sarah Everard hat unter dem Hashtag #textmewhenyougethome international für Diskussionen gesorgt. «Jede junge Frau kennt die Tricks: Man läuft nicht mit Musik in den Ohren nach Hause, man schreibt, wenn man daheim ist, schaut regelmässig nach hinten, rennt sogar nach Hause: «Das ist eine Realität für uns», sagt Tamara Funiciello, SP-Nationalrätin (30). Es stellt sich die Frage: Wieso müssen sich die Opfer selbst schützen? Denn das Problem liegt nicht bei den Frauen: «Es wird viel mit Frauen über Selbstverteidigung geredet – stattdessen sollte man mit Männern über dieses Thema sprechen und Präventionsmassnahmen treffen», sagt Sophie Achermann (28), Geschäftsführerin von alliance F. Denn auch in der Schweiz ist die Gewalt gegen Frauen ein grosses Problem: In der Schweiz stirbt jede zweite Woche eine Frau infolge häuslicher Gewalt. Die Politik habe in den letzten Jahre sehr wenig Engagement in diesem Thema gezeigt – nun seien konkrete Massnahmen gefordert, sagt Achermann.

Massnahmen, «dass Männer nicht zu Tätern werden»

«Gewalt an Frauen zu verhindern, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe», sagt Anna-Beatrice Schmaltz (28), von der feministischen Friedensorganisation CFD. Es gehe um ein strukturelles Problem. Solche Gewalttaten seien eng mit den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen verknüpft. «Männer müssen das Thema als ein Männerthema begreifen und Verantwortung übernehmen», sagt Schmaltz. «Jetzt braucht es Massnahmen und Prävention dazu, dass Männer nicht zu Tätern werden. Dazu ist eine frühe Sensibilisierung nötig.»

Zum Beispiel im Rahmen des Schulunterrichts, schlagen junge Politikerinnen aus allen Lagern vor: «Kurse spezifisch für junge Männer, wie man sich auf der Strasse in der Nacht, aber auch im Alltag verhalten sollte, müssten bereits in der Schulzeit eingeführt werden», sagt Julia Baumgartner (26), Kampagnenleiterin der SP Basel-Stadt. Als Teil eines Schulfaches zu Feminismus könne man dies fix ins Schulsystem einbauen – so soll «das Verständnis für dieses Thema schon von jung auf gelehrt werden», sagt Baumgartner. Auch die Präsidentin der CVP-Frauen, Babette Sigg (59), fordert mehr Sensibilisierung in der Schule: «Als Bestandteil des Faches ‘Mensch und Umwelt’», schlägt die Politikerin vor. «Das wäre längerfristig wichtigerer Stoff, als momentan in einigen Fächern gelehrt wird.» Es sei wichtig, dass diese Thematik Kinder und Jugendliche über die ganze Schulzeit begleite.

«Solange Frauen Angst haben, haben wir ein Problem»

Mit der Diskussion an Schulen ergebe sich die Möglichkeit, «die Ursache der Vorfälle zu bekämpfen», sagt Sarah Bünter (27), Präsidentin der jungen Mitte. Das sei wichtig, denn: «Seitens der Politik und der Gesellschaft sollte der Fokus mehr auf Prävention als auf Strafe gesetzt sein», sagt die 28-Jährige. Unter anderem sollten die Schüler ins Gespräch kommen mit Personen, die Erfahrungen als Opfer oder potentielle Täter gemacht haben. «So könnte man dieses Thema Schülern nachhaltig näherbringen», so Bünter. Auch auf Seiten der SVP-Präsidentin in Utzensdorf ist die Sensibilisierung im Kindesalter ein Thema: «Nein-Sagen sollte bereits im Sexualkundeunterricht beigebracht werden», sagt Nationalratskandidatin Michelle Singer (27). In jungen Jahren soll darauf sensibilisiert werden, dass man «von der Möglichkeit Gebrauch machen kann, Nein zu sagen, aber auch, dass das Gegenüber dieses Nein akzeptiert», so Singer.

«Wenn es um Gewalt an Frauen geht, finden das alle schlecht – wenn es aber um die konkreten Massnahmen geht und ums Geld in die Hand nehmen, dann schiebt sich jeder die Verantwortung zu», sagt Tamara Funiciello. Und trotzdem: «Es ist absurd, dass Frauen Sicherheitsmassnahmen ergreifen müssen, weil es die Gesellschaft nicht macht. Solange Frauen Angst haben in der Gesellschaft, haben wir ein Problem», sagt die SP-Nationalrätin. «Ich kämpfe darum, dass das nicht mehr nötig ist.»

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Fachstelle Frauenberatung

Onlineberatung für Frauen (BIF)

Onlineberatung für Männer

Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Pro Juventute, Tel. 147

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