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Frankfurt: Angespannte Wohnsituation verschärft Lage in Frauenhäusern

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Frauenhaus-Situation in Hessen ist sehr dramatisch.
Die Frauenhaus-Situation in Hessen ist sehr dramatisch. © Maja Hitij/dpa

Wegen des schwierigen Wohnungsmarkts in Frankfurt und Offenbach bleiben Frauen oft länger als nötig im Frauenhaus. Die Mitarbeiterinnen fordern mehr Unterstützung.

In Frankfurt und Offenbach gibt es zu wenige Frauenhausplätze, immer wieder müssen Schutzsuchende abgewiesen werden. Doch im Gespräch mit Mitarbeiterinnen der Häuser wird deutlich, dass mehr Plätze allein das Problem nicht lösen würden. Denn die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt spielt eine entscheidende Rolle.

Im Offenbacher Frauenhaus fehlten mindestens zwei Familienzimmer, sagt Gloria Schmid vom Verein Frauen helfen Frauen, der das autonome Haus betreibt. Um diese zusätzlichen Kapazitäten zu schaffen, hatte die SPD einen Antrag auf eine Platzerweiterung gestellt, den die Stadtverordnetenversammlung im November vergangenen Jahres ablehnte – mit dem Hinweis, dass zunächst eine Bedarfsanalyse erfolgen solle. „Unsere Sorge ist, dass die Analyse den Prozess verzögert, dabei haben wir einen konkreten Bedarf“, sagt Schmid. „Sobald wir einen Platz als frei melden, klingelt das Telefon, und er ist Stunden später wieder besetzt.“

Weil das Gebäude seit September einen Wasser- und Schimmelschaden habe, könnten die ohnehin begrenzten Platzkapazitäten nicht voll genutzt werden. „Seit September mussten wir 39 Frauen und 64 Kinder weitervermitteln“, sagt Schmid. „Im Zweifel geht es um Leben und Tod. Das ist schon gruselig, wenn die Frauen und Kinder nicht unterkommen können.“

Die Corona-Pandemie verschärfe das Problem der Platzkapazitäten, sagt Hilke Droege-Kempf vom Verein Frauen helfen Frauen, dem Betreiber des autonomen Frauenhauses in Frankfurt. 60 Plätze stehen normalerweise zur Verfügung, aber wegen Corona dient eines der Gebäude als Quarantänehaus, so dass eine 100-prozentige Auslastung derzeit nicht möglich ist.

Die Serie

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation mit Correctiv.Lokal, einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit Lokalredaktionen umsetzt.

Correctiv.Lokal ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv, das sich durch Spenden von Bürgerinnen und Bürgern und Stiftungen finanziert.

Link: correctiv.org/haeusliche-gewalt

Die Frankfurter Rundschau veröffentlicht eine kurze Serie zu häuslicher Gewalt. Die weiteren Texte erscheinen in loser Folge im Regionalteil. Es folgen Berichte zu häuslicher Gewalt in der Kindheit.

Auch in normalen Zeiten müssen Frauen an andere Häuser verwiesen werden, allerdings macht Droege-Kempf deutlich: „Die Forderung nach mehr Frauenhausplätzen ist sicher richtig, aber nicht die alleinige Lösung des Problems. In den Ballungsgebieten ist die Wohnungsnot ein riesiges Problem. Die Frauen wohnen extrem lange im Frauenhaus, weil sie keine Wohnung finden.“

In Frankfurt werde die Situation dadurch erschwert, dass man den Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung erst erhalte, nachdem man mindestens zwölf Monate in der Stadt gelebt habe. Laut Droege-Kempf erfüllen das circa 40 Prozent der Frauen nicht, weil sie aus anderen Gemeinden kommen. Deshalb fordere sie schon lange, die Einjahresregelung für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, auszusetzen. Auch müsse es eine prozentuale Belegung der öffentlich geförderten Wohnungen mit Fällen von häuslicher Gewalt geben.

Dass sich die Situation in den vergangenen Jahren verschärft hat, verrät ein Blick auf die Zahlen: 2010 konnten 21 Frauen aus dem Frauenhaus in eine eigene Wohnung ziehen, 2018 nur acht. 2010 wohnten insgesamt 135 Frauen und 131 Kinder im Frauenhaus, während es 2018 nur 99 Frauen und 102 Kinder waren. Weil Frauen mangels Wohnung im Schnitt länger im Frauenhaus bleiben, fehlen Kapazitäten. „Die Lösung ist nicht, ein Frauenhaus nach dem anderen zu bauen. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie wir die Frauen mit Wohnungen versorgen können“, fordert Droege-Kempf.

In Offenbach sieht die Situation ähnlich aus, berichtet Gloria Schmid. Im Schnitt verbrächten die Frauen sechs Monate in der Einrichtung, manche bis zu einem Jahr. Zwar gebe es Vereinbarungen mit Wohnungsbaugesellschaften, die den Frauen mehr Chancen auf eine Wohnung eröffneten. Diese stagnierten aber. „Wir bräuchten politische Unterstützung, eine Form von Vorgriffsrecht“, sagt Schmid.

Etwas komfortabler gestaltet sich die Situation in den zwei Frankfurter Frauenhäusern, die der Verein für Soziale Heimstätten betreibt. Da sie Bestandteil eines großen Vereins sind, kämen schutzsuchende Frauen in der Regel immer unter, sagt Christine Heinrichs. Sind die Frauenhäuser voll, stünden andere Notunterkünfte zur Verfügung. Auch sollen in den nächsten Monaten 26 weitere Schutzplätze hinzukommen. Und für Frauen, die nach ihrem Aufenthalt keine Wohnung finden, bietet der Verein Übergangswohnungen an.

Dass nach dem Gewaltschutzgesetz eigentlich der gewalttätige Mann die Wohnung verlassen müsste, sei lediglich Theorie, sagt Heinrichs. „Auf ein Näherungsverbot ist kein Verlass. Das ist eine richtige politische Forderung, lässt sich aber in der Praxis schlecht umsetzen.“

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