Am 22. März 2017 bestätigte der Bundesgerichtshof, dass es in besonderem Maße verwerflich ist, wenn ein Mann seine Frau tötet, weil sie ihn verlassen will oder verlassen hat. Das prägende Hauptmotiv der Mordtat, die verhandelt wurde, war die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren. Diese Motivation, so argumentierte das Gericht, stehe "sittlich auf niedrigster Stufe" und sei "Ausdruck der Geisteshaltung des Angeklagten, seine Frau als sein Eigentum zu begreifen, über das er verfügen könne". Dass das Landgericht in erster Instanz das Mordmerkmal der "niedrigen Beweggründe" angenommen und den Angeklagten wegen Mordes verurteilt hatte, sei daher nicht zu beanstanden. 

Damit schien eine wesentliche Wende in der Rechtsprechung gelungen. Diese war zuvor dafür kritisiert worden, den spezifischen Unrechtsgehalt von sogenannten Trennungstötungen nicht zu erkennen. Tatsächlich zeigten Bundesgerichtshof und Landgerichte in der Vergangenheit großes Einfühlungsvermögen für den verlassenen Mann, seine "Verlustangst", seine Wut, seine "Verzweiflung", seine "Sorge um die Kinder", seinen zerstörten Lebenstraum. In einem "Motivbündel" des Täters fand sich immer ein nachvollziehbarer Beweggrund, welcher es erlaubte, in einer Gesamtbewertung die Verwerflichkeit der Tat auszuschließen. Die Gerichte prüften nicht nur, von wem die Trennung ausgegangen war, sondern erörterten auch, ob die häufig eine Rolle spielende Eifersucht des Täters sich am Verhalten des Opfers festmachen konnte oder "völlig unbegründet" gewesen sei. Laut Bundesgerichtshof sollte das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe ferner nicht vorliegen, wenn "die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will".

Verweis auf die Herkunft des Täters

Die Kritik an der Rechtsprechung bezog sich allerdings nicht nur auf die Verharmlosung von "Trennungstötungen", sondern ebenso auf gerichtliche Diskurspraxen, welche die tödliche patriarchale Gewalt exklusiv bei den "Fremden" zu verorten suchten. Das Verständnis der Gerichte für den verlassenen Mann fand nämlich ein abruptes Ende, wenn es sich nicht um einen weißen deutschen Täter handelte. War der Täter "im Osten der Türkei geboren" oder "von kurdischer Volkszugehörigkeit", wurde sein Motivbündel nicht mehr als vulnerabler emotionaler Zustand verstanden, sondern als verachtenswertes "Besitzdenken" und illegitimer privater Herrschaftsanspruch.

Noch markanter waren die Unterschiede in der juristischen Bewertung, wenn die Tötung als "Ehrenmord" definiert werden konnte. Diese Einordnung stützte sich weniger auf existierende wissenschaftliche Forschung, etwa zu kollektiven innerfamiliären Wertsystemen, als auf ein paar kulturalistische Annahmen mit Verweis auf die Herkunft des Täters. Oft genügten hier zwei, drei Sätze, um die besondere Verwerflichkeit der Tat zu bejahen:

Laut Rechtsprechung werden "Ehrenmorde" von "ausländischen Tätern" auf Grundlage der "archaisch-patriarchalischen Wertvorstellungen" ihres "Heimatlandes" (bspw. "Anatolien") begangen. Diesen "kulturellen Werten" sind die Täter "verhaftet", sie sind von ihnen "durchdrungen" oder doch wenigstens "geprägt". Stets benannt wird die "muslimische" oder "jezidische" Religion der Täter, obwohl diese für die rechtliche Bewertung am Ende gar nicht relevant war, sondern ihre "sozialkulturelle Prägung" durch "traditionell-patriarchalische" Strukturen oder Werte eines "fremden Kulturkreises" oder einer "Volksgruppe". Die "Familien- und Mannesehre" stehe für sie über allem anderen, sie orientierten sich am "Familienverbund" oder der "Sippe" und seien in Deutschland "nicht integriert".

In Abgrenzung hierzu wird in der Rechtsprechung die "moderne Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland" gesetzt, mit ihrer "individualistischen und freiheitlichen Ausrichtung", in der (insbesondere Frauen) volles "Selbstbestimmungsrecht" genießen. Will der Täter in die deutsche "Rechtsgemeinschaft" aufgenommen werden, muss er "deutsche Bräuche und Überzeugungen hinsichtlich des Verhältnisses von Mann und Frau" verinnerlichen und sich an "mitteleuropäischen Maßstäben" orientieren.

Zu diesen Bräuchen und Maßstäben gehörte, polemisch gesagt, offenkundig auch das strafmildernde Verständnis der Rechtsprechung für den weißen deutschen Mann, der seine Frau tötet, die ihn verlassen will, und die Bewertung solcher Tötung von Frauen als Ausdruck von Verzweiflung, Verlustangst oder als eine Form der Selbstschädigung.