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Vorstoß der SPD Frauenfeindliche Motivation soll bei Straftaten extra vermerkt werden

In der Debatte über gewalttätigen Hass auf Frauen und den Kampf dagegen streben SPD und Justizministerium eine Änderung der Polizeilichen Kriminalstatistik an. Union und FDP sind kritisch.
Protestaktion in Berlin gegen Gewalt an Mädchen und Frauen

Protestaktion in Berlin gegen Gewalt an Mädchen und Frauen

Foto: Bernd Friedel / IMAGO

Über frauenfeindliche Gewalt gibt es kaum Daten. Das soll sich ändern - zumindest, wenn es nach der SPD geht.

So soll »Gewalt gegen Frauen bzw. die frauenfeindliche Motivation der Täter gesondert in der Polizeilichen Kriminalstatistik« erfasst werden, »um das Ausmaß dieser menschenverachtenden Verbrechen und Vergehen zu erfassen«, sagte ein SPD-Sprecher dem SPIEGEL.

Auch begrüße man »ausdrücklich die Initiative für eine strafrechtlich zu sanktionierende, verhetzende Beleidigung«, wie es das Bundesjustizministerium von Christine Lambrecht (SPD) gerade plant und in Kürze vorlegen will, damit es noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann.

Außerdem brauche es »entsprechende Curricular in der juristischen Aus- und Weiterbildung«, damit Staatsanwaltschaft sowie Richterinnen und Richter geschult würden, um eine »menschenverachtende Motivation des Täters als strafschärfend berücksichtigen« zu können, so der SPD-Sprecher.

Seitdem jüngst der SPIEGEL über die von gewalttätigen Sexisten ausgehende Gefahr berichtete, gibt es eine Debatte zu möglichen Reformen. Denn der Onlinehetze gegen Frauen folgt tausendfach Gewalt im echten Leben, die Behörden aber unterschätzen das Problem – auch, weil sie keine Daten dazu erheben.

Expertinnen hatten deswegen unter anderem gefordert, Frauenfeindlichkeit als eigene Ermittlungskategorie einzuführen. Außerdem solle der Strafgesetzbuchparagraf 46 zu strafverschärfenden Motiven um »geschlechtsspezifisch« ergänzt werden.

Der SPIEGEL hatte dazu alle 222 weiblichen Bundestagsabgeordneten gefragt.

  • 64 Abgeordnete aus allen Fraktionen außer der AfD haben Fragen beantwortet.

  • Drei Viertel von ihnen (73 Prozent), forderten, die Ermittlungskategorie einzuführen.

  • 34 Prozent sprachen sich zudem für eine Ergänzung des Paragrafen 46 aus.

Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), hält eine statistische Erfassung von Straftaten, die aus frauenfeindlichen Motiven begangenen wurden, in der BKA-Statistik »für sinnvoll«. Ihr Sprecher verweist dafür an das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU), das zuständig sei. Das wiederum hat ein entsprechendes Ansinnen gegenüber der »Zeit« bereits abgelehnt.

Lambrechts Sprecher sagte außerdem, dass man sich in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen der Justizministerkonferenz für eine Verbesserung der Datenlage einsetze.

»Die aktuellen Fälle frauenverachtender Hetze im Netz zeigen wieder, wie dringend erforderlich diese Strafverschärfungen und Ermittlungsinstrumente sind«, so der Sprecher. Deswegen müsse auch beim »Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität«, das gerade vom Bundesrat gestoppt wurde und nun im Vermittlungsausschuss behandelt werden soll, schnell eine Lösung gefunden werden.

Auch Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU, verweist auf das Gesetzespaket und sagt: »Hasskommentare und hetzerische Parolen, besonders im Netz, bereiten den Boden für eine weitere Verrohung in der Sprache und sind Gift für unsere Demokratie.« Diese Spirale wolle man durchbrechen, »mit allen Mitteln, die dem wehrhaften Rechtsstaat und einer selbstbewussten demokratischen Gesellschaft zur Verfügung stehen.«

Deswegen sei es wichtig, dass das Gesetzespaket gegen Hasskriminalität im Netz nun endlich in Kraft treten könne – und er verweist auf die Blockade der Grünen im Bundesrat. Zu den spezifischen Expertenforderungen, etwa, eine eigene Ermittlungskategorie für frauenfeindliche Gewalt einzuführen, äußert sich Ziemiak nicht. Das Wort »Frauen« kommt in seiner Antwort auf die Anfrage des SPIEGEL kein einziges Mal vor.

Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sieht ebenfalls »keinen unmittelbaren Handlungsbedarf für den Strafrechtsgesetzgeber«. Eine Ergänzung des Paragrafen 46 hätte »lediglich deklaratorische Wirkung«. Im Ergebnis könnte er »irgendwann so detailliert auf bestimmte Opfergruppen zugeschnitten sein, dass davon abweichende Tatmotive bei der Urteilsfindung nicht mehr angemessen berücksichtigt werden können«, fürchtet er.

»Nicht konsequent genug«

Der Innenpolitikexperte der SPD, Uli Grötsch, selbst früher Polizeibeamter, sieht das anders: »Ich halte es aufgrund des im SPIEGEL dargestellten Ausmaßes für dringend angezeigt. Zu einer zeitgemäßen Strafgesetzgebung gehört auch immer eine entsprechende Reaktion auf Deliktsfelder.«

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünenfraktion, Britta Haßelmann, kritisiert die Bundesregierung: Sie befasse sich »nicht konsequent genug« mit dem Thema: »Die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und Tötungen von Frauen muss entschlossen geführt werden.«

Prävention und besserer Schutz müssten endlich viel stärker in den Fokus gerückt werden. Sie plädiert für eine systematische Erfassung von frauenfeindlichen Gewaltverbrechen und sagt: »Wir fordern die Anerkennung von Frauenhass als politisch motivierte Kriminalität und wollen die Beratungsmöglichkeiten von betroffenen Mädchen und Frauen stärken.«

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, ist für die Einführung einer eigenen Kategorie »Frauenhass« für die Kriminalitätsstatistik.

Bei der Ergänzung des Strafrechtsparagrafen 46 warnt sie vor dem Begriff »geschlechtsspezifischer« Motive: »Das halte ich für ein zweischneidiges Schwert, das sich auch gegen die Frauen selbst richten kann«. So könnten mit dieser Begründung etwa manche feministischen Parolen, die als Beleidigungen oder Bedrohungen angezeigt werden, wegen vermeintlicher Männerfeindlichkeit verfolgt werden, sagt Jelpke.

Um das zu vermeiden, sollte konkret Frauenfeindlichkeit oder Homophobie als Motiv benannt werden.